Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
konnte am Tatort sichergestellt werden. Sie war abgewischt worden und wies keine Fingerabdrücke auf.«
»Und das genaue Datum?«
Bontrager blätterte in seinem Notizbuch. »21. März 2002.«
Jessica lief ein kalter Schauer über den Rücken. Das war exakt das Datum, das die beiden alten Käuze genannt hatten. Sie warf Byrne einen Blick zu. Diese Information ließ ihn ebenfalls aufhorchen.
»Ich fahre ins Archiv und suche mir die Akten heraus«, sagte Bontrager.
»Das machen wir«, erwiderte Byrne. »Versuch du herauszufinden, wer die nächsten Verwandten von Antoinette Chan sind und wo sie wohnen. Wenn sie Beckmann für schuldig hielten, wäre es gut, wenn wir uns die mal genauer ansehen.«
»Kein Problem.«
Josh Bontrager stieg in den Wagen und fuhr davon. Auf dem Beifahrersitz saß Dennis Stansfield und verzog keine Miene.
»Was hältst du davon?«, fragte Jessica.
Byrne überlegte einen Augenblick. Gedankenverloren strich er über die kleine V-förmige Narbe über dem rechten Auge, eine Erinnerung an die Kugel, die ihn vor einigen Jahren gestreift hatte. Wenn er über die Narbe strich, dachte er angestrengt nach.
»Wir müssen uns die Akte ansehen.« Er schaute auf die Uhr. »Aber zuerst möchte ich noch einmal mit der liebenswerten, cleveren Mrs. Beckman sprechen. Interessant, dass sie diese Sache nicht erwähnt hat.«
»Stimmt. Als ich sie gefragt habe, wer das getan haben könnte, hat sie gesagt: ›Sehen Sie mal in den Spiegel, verdammt!‹ Ich wusste gar nicht, was sie meinte. Jetzt weiß ich es. Sie gibt der Polizei die Schuld.«
»Das ist ja ganz was Neues«, meinte Byrne. »Und sie war so eine nette Person.«
»Ja, eine richtige Schlampe«, sagte Jessica. »Ich überprüfe sie und ihren bekifften Sohn. Mal sehen, wo sie sich im März 2002 aufgehalten und was sie gemacht haben.«
»Wir treffen uns im Archiv«, sagte Byrne. »Ruf mich an, wenn gegen sie was vorliegt. Mir ist es egal, dass Sharon Beckman gerade ihren Mann verloren hat. Ich würde sie gerne für eine Weile in eine Zelle sperren.«
»Ach, Kevin. Dir macht es doch nur Spaß, Frauen Handschellen anzulegen.«
12.
Nachdem die Polizei ihr Haus verlassen hatte, stand Sharon Beckman zehn Minuten lang wie versteinert neben der Eingangstür.
Jason verzog sich sofort wieder. Gott allein wusste, wo er sich in letzter Zeit herumtrieb. Der Junge hatte den Detectives nicht verraten, dass die letzte Begegnung zwischen ihm und seinem Stiefvater mit einer Prügelei geendet hatte. Die letzten Worte, die Jason zu seinem Stiefvater gesagt hatte, waren: »Wenn du mich noch einmal anfasst, bring ich dich um.«
Solche Dinge erzählte man der Polizei natürlich nicht. Sharon wusste, dass Jason so etwas niemals tun würde, aber die Polizei wusste es nicht.
Es herrschte Stille im Haus.
Kenny war tot.
Sharon wartete darauf, dass sich ein Gefühl wie Kummer oder Leid einstellte, aber sie empfand nichts. Sie spürte nur nackte Angst und begriff, dass sie handeln musste. Schnell.
Als sie Kenny kennenlernte, war ihr vom ersten Augenblick klar, dass alles eines Tages ein schlimmes Ende nehmen würde. Sie wusste von Beginn an, wer er war und was für ein Leben sie an seiner Seite erwartete. Sharon war auch kein Engel. Aber als Kenny vor acht Jahren diese ganzen Häuser ausraubte und ins Visier der Polizei geriet, war ihr bewusst, dass eines Tages so etwas passieren würde.
Als sie 2002 in dem Haus auf der Lenox Avenue Feuer legte, um alle Spuren zu beseitigen, ahnte sie, dass sie eines Tages dafür würde bezahlen müssen. Dieser Tag war nun gekommen. Es hatte ihr ein wenig leidgetan, dass die ganze Straße in Brand geriet, aber es wurde niemand verletzt. Daher bereitete ihr die Sache kaum schlaflose Nächte. Zwischen ihr und ihren Nachbarn auf der Lenox Avenue gab es keinerlei Sympathie. Dieses verdammte asoziale Pack.
Sharon drehte sich im Wohnzimmer drei Mal im Kreis, während sie einen klaren Gedanken zu fassen versuchte.
Sie hätte dieses Haus schon vor langer Zeit verlassen sollen. Wenn die Polizei eine Spur verfolgte, war das ein sicheres Zeichen, dass sie jemanden im Visier hatte. Cops wussten immer viel mehr, als sie preisgaben. Es war wie bei diesen Jobs, bei denen sie ihren Vater als kleines Kind begleitet hatte. Ihr Vater reparierte die Rohrleitungen in einem Haus, und sobald er fertig war, legte er stets ein Blatt Zeitungspapier unter die Rohre. Wenn ein Wassertropfen auf die Zeitung fiel, hatte er Mist gebaut. Ihr Vater riss alles
Weitere Kostenlose Bücher