Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
seinem Leben geschrien.
Er nahm ihre Hand, schüttelte sie jedoch nicht so, wie man es normalerweise tat. Stattdessen hielt er sie nur fest und starrte ihr in die Augen. Einen Augenblick lang verschwamm alles ringsherum, als würde Lucy durch einen Duschvorhang schauen. Für seine geringe Körpergröße hatte er einen überraschend kräftigen Händedruck.
Schließlich ließ er ihre Hand wieder los.
»Wie soll ich Sie ansprechen?«, fragte Lucy, als sie wieder klar sehen konnte.
Der Mann lächelte verhalten, doch seine Augen blieben kühl. »Ich heiße Adrian Costa«, sagte er. »Du kannst mich Adrian oder Mr. Costa nennen. Wie du möchtest.«
Er deutete auf den großen grünen Sessel mit den verstaubten Armlehnen. Lucy hätte ihn am liebsten sofort abgesaugt.
»Ich würde Sie gerne zunächst Mr. Costa nennen«, sagte sie. »Wenn das für Sie okay ist.«
»Wie du möchtest.«
Lucy nahm Platz. Der Sessel war viel bequemer, als er aussah. Ehrlich gesagt sah er nämlich aus, als wären einige Federn herausgesprungen. Lucy war mit Möbeln aus dritter Hand aufgewachsen. Sie hatte in zugigen Mietshäusern und in Wohnungen im ersten Stock gewohnt, die über Bowlingbahnen, Kneipen oder chinesischen Restaurants lagen. Die Möbel hatten nie zusammengepasst und immer gewackelt. Lucy wusste nie, ob die Böden uneben oder ob die Tisch-oder Stuhlbeine unterschiedlich lang waren. Sie erinnerte sich jedenfalls, dass sie immer ein oder zwei Streichholzheftchen unter die Tischbeine schieben musste, damit ihre Bleistifte nicht herunterrollten, wenn sie Hausaufgaben machte. Sie erinnerte sich auch an die vielen Abende, an denen sie mit ihrer Mutter an den Tagen vor der Müllabfuhr durch die Straßen ihrer Heimatstadt lief. Gemeinsam suchten sie nach brauchbaren Gegenständen, mit denen ihre Mutter ihr Haus einrichten oder die sie verkaufen oder gegen Drogen und andere Dinge eintauschen konnte. Sie nannten diese Aktionen »Einkaufen bei Lawn-Mart.«
»Was weißt du über Hypnose?«, fragte Mr. Costa.
Über diese Frage musste Lucy nicht lange nachdenken. Sie wusste nicht viel darüber. Nur das, was sie in gruseligen Filmen oder in Komödien gesehen hatte, in denen Menschen hypnotisiert wurden und dann wie Hühner herumliefen. Lucy hoffte, dass sie nicht auch gleich wie ein Huhn hier herumlief. Das sagte sie Mr. Costa.
»Keine Angst«, beruhigte er sie und presste die Fingerspitzen zusammen. Lucy fiel auf, dass sechs seiner Finger Einkerbungen aufwiesen, als hätte er kürzlich sechs Ringe abgenommen. »Ich vermittle dir die Fähigkeit, die du brauchst, um dein Ziel zu erreichen«, fügte er hinzu. »Hast du ein Ziel, Lucy Doucette? Es hat doch einen Grund, warum du zu mir gekommen bist, nicht wahr?«
Wenn Sie wüssten, Mister, dachte Lucy. Sie versuchte, ihm eine ruhige, wohldurchdachte Antwort zu geben. »Oh, ja.«
»Gut. Wir konzentrieren uns auf das Unterbewusstsein und versuchen herauszufinden, wie es dein Leben beeinflusst. Die Methoden, die ich anwende, sind erprobt und zuverlässig. Sie gehen zurück bis ins Viktorianische Zeitalter.«
»Es wird also nicht passieren, dass ich mich wie ein Huhn benehme?«
Mr. Costa schüttelte den Kopf. »Die Hypnotiseure auf der Bühne wollen den Eindruck erwecken, dass der Hypnotisierte die Kontrolle verloren hat«, sagte er. »Ich mache genau das Gegenteil. Ich will dir die Kontrolle zurückgeben . Die Kontrolle über dein Leben. Meine Methode besteht darin, dir zu helfen, dich so tief wie möglich zu entspannen, damit du einen beeinflussbaren Zustand erreichst, in dem du deine Erinnerungen – Dinge, die du vergessen haben könntest – mühelos wieder abrufen und somit verstehen und bewältigen kannst.«
»Okay«, sagte Lucy. Sie hoffte, dass sie sich zuversichtlicher anhörte, als sie war. »Es gibt da aber etwas, was ich wissen muss, ehe wir weitermachen. Ist das okay?«
»Natürlich.«
»Wie viel wird das alles kosten?«
Jetzt war es schon wieder passiert. Sie war einfach mit der Frage herausgeplatzt. Schon mit fünf oder sechs Jahren hatte sie gelernt, in den Lebensmittelgeschäften oder den Drogenshops einzukaufen. Sie sprach auch mit den Leuten von der Telefongesellschaft oder den Versorgungsbetrieben und setzte den Charme des kleinen Mädchens ein, um das Abstellen des Telefons oder des Stroms zu verhindern.
Mr. Costa lächelte wieder verhalten. »Vorerst brauchst du gar nichts zu bezahlen. Wir schauen erst einmal, wohin der Weg uns führt. Danach sprechen wir über
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