Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
war es zwar etwas besser, aber ganz ging es nie weg. Sie schaute in die strahlenden, kleinen Hundeaugen des Traumwebers. »Wir können anfangen.«
»Heute in unserer ersten Sitzung gehen wir zurück zu einer bestimmten Zeit in deinem Leben. Zu einer Zeit, an die du dich scheinbar nicht erinnern kannst. Okay?«
Lucys Hände begannen zu zittern. Sie faltete sie im Schoß. »Okay.«
»Du wirst dieses Ereignis aber nicht noch einmal erleben. Es ist nicht nötig, dich damit zu belasten. Stattdessen wird es so sein, als ob du es beobachtest.«
»Beobachten? Ich sehe zu?«
»Ja«, sagte Mr. Costa. »Genau. Du schaust von oben zu.«
»Als würde ich fliegen?«
»Als würdest du fliegen.«
»Das ist echt cool. Was muss ich tun?«
»Du brauchst gar nichts zu tun. Du schließt einfach die Augen und lauschst meiner Stimme.«
»Ich muss Ihnen etwas sagen«, begann Lucy. »Ich wollte es Ihnen schon sagen, als ich gekommen bin.«
»Und was möchtest du mir sagen?«
»Ich glaube nicht, dass man mich hypnotisieren kann.«
»Warum sagst du das?«
Lucy zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich glaube, ich bin zu angespannt, wissen Sie? Ich kann kaum schlafen. Ich bin immer nervös. Sagen andere Leute das auch?«
»Sicher.«
»Es gibt doch bestimmt einige Leute, die anscheinend nicht …«
Mr. Costa hob einen Finger, um sie zu unterbrechen. Auf dem Finger steckte ein Ring. Plötzlich steckten alle sechs Ringe wieder an seiner Hand.
Wann hatte er das gemacht?
»Ich unterbreche dich nur ungern, aber ich fürchte, unsere heutige Sitzung ist zu Ende.«
Lucy meinte, sich verhört zu haben. »Was haben Sie gesagt? Haben Sie gesagt …?«
»Ja.«
Lucy brauchte ein paar Sekunden, um dies zu verarbeiten. Sie war tatsächlich einen Augenblick lang hypnotisiert gewesen. Sie stand auf und nahm ihre Handtasche. Als sie auf die Tür zuging, war ihr ein wenig schwindlig. Sie hielt sich am Türrahmen fest, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Plötzlich stand Mr. Costa neben ihr. Lucy wunderte sich, denn sie hatte nichts gehört.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja«, sagte Lucy. »Es geht schon wieder.«
Mr. Costa nickte. »Sollen wir morgen weitermachen? Um zwölf Uhr?«
»Klar.« Plötzlich spürte Lucy, dass sie sich gut fühlte. Richtig gut. Wie nach einem kurzen Nickerchen.
»Ich glaube, du hast heute Fortschritte gemacht«, sagte Mr. Costa.
Pfeifenrauch.
»Habe ich?«
»Ja.« Er nahm die Brille ab und steckte sie in die Innentasche seines Jacketts. »Es war kein Durchbruch – ich fürchte, das passiert vielleicht nie –, doch du hast eine Tür geöffnet. Ein Stückchen weit.«
Pfeifenrauch und Äpfel.
»Eine Tür?«, fragte Lucy.
»Eine Tür zu deinem Unterbewusstsein. Eine Tür zu dem, was du vor neun Jahren erlebt hast.«
Hatte sie ihm erzählt, dass es vor neun Jahren geschehen war? Sie konnte sich nicht daran erinnern.
Mr. Costa legte eine Hand auf den Türknauf. »Ich habe noch eine Frage«, sagte er. »Liegen in dem Hotel, in dem du arbeitest, Notizblöcke in den Zimmern?«
»Notizblöcke?«
»Notizblöcke mit dem Hotellogo. Für die Gäste.«
»Ja«, sagte Lucy. Sie hatte schon Tausende solcher Blöcke auf die Schreibtische gelegt – sieben Zentimeter vom linken Rand entfernt –, und in der Mitte des Blocks musste der Stift in einem Winkel von fünfundvierzig Grad liegen.
»Ausgezeichnet. Bring mir bitte morgen einen dieser Blöcke mit«, bat Mr. Costa sie. »Geht das?«
»Klar. Ich bringe Ihnen einen mit.«
Mr. Costa öffnete die Tür. »Bis morgen dann, meine liebe Lucinda.«
Auf dem Weg durch die Tür blickte Lucy auf das kleine Bild auf der Wand neben dem Türrahmen, genau über dem schmutzigen Lichtschalter. Sie sah es nur einen flüchtigen Augenblick, aber lange genug, um darauf einen weiteren schon halb verfallenen, mit Efeu überwucherten Pavillon zu erkennen. Erst als Lucy über die Schwelle trat und Mr. Costa die Tür hinter ihr schloss, begriff sie, dass sie den baufälligen Bungalow mit der schiefen Veranda, den verrosteten Dachrinnen und dem zerfallenen Steinplattenweg im Hintergrund kannte.
In diesem Haus war sie aufgewachsen.
18.
Mozart wird nachgesagt, dass er nie still sitzen konnte, wenn sein Barbier ihm das Haar frisierte, und stattdessen immer, wenn er einen Einfall hatte, zu seinem Klavier lief und den Mann zwang, mit den Bändern in der Hand hinter ihm herzurennen.
Ich kann das verstehen. Wenn die Musik der Toten laut ist, kann ich mitunter auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher