Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Spring Garden Street und die Ben Franklin Bridge.
»Oh, Scheiße! «, rief Dino, als sich alle hingesetzt hatten.
»Was ist los?«, fragte Jessica.
Dino stand auf, langte in die Jackentasche und strich mit den Händen über seinen Körper, als würde er einen Verdächtigen abtasten. »Ich glaub’s nicht.«
»Was ist los?«
»Ich glaub, ich hab mein Lipgloss zu Hause vergessen«, sagte Dino mit ungerührter Miene.
Einer in der Runde begann laut zu lachen.
Dino zeigte auf die Tasche, die an Byrnes Stuhllehne hing. »Hey, Kev. Du hast nicht zufällig deins dabei?«
Leises Gelächter am ganzen Tisch. Byrne schüttelte den Kopf. »Ich bin viel größer als du. Das weißt du, nicht wahr?«
»Ich weiß«, sagte Dino. »Aber du bist älter.«
»Wie viel? Fünf oder sechs Monate?«
»Immerhin.«
»Das bedeutet nur, dass ich ein paar Sekunden länger brauche, um den Raum zu durchqueren.«
Dino hob beide Hände. »Schlag mich nicht mit deinem Herrentäschchen.«
Byrne sprang auf.
Nick Palladino rannte zur Theke.
Um Mitternacht waren die meisten Jüngeren entweder weitergezogen oder nach Hause gegangen. Es war mitten in der Woche. Die jungen Familien warteten. Nach Mitternacht waren nur noch die schweren Trinker anwesend.
Jessica, die gerade aufbrechen wollte, stand mit Byrne in der Nähe des Aufzugs. Als Michael Drummond sie entdeckte, kam er auf sie zu. Er hatte genug Schulterklopfer bekommen.
»Danke, dass Sie gekommen sind.«
Drummond umarmte Jessica freundschaftlich, dann schüttelte er Byrne die Hand und klopfte ihm auf die Schulter.
»Ihnen ist klar, dass wir demnächst bestimmt mal gegeneinander antreten werden«, sagte Byrne.
Drummond nickte. »Ja. Mir kommt es vor, als hätte ich auf die dunkle Seite gewechselt.«
»Das Geld wird helfen, den Schmerz zu lindern.«
Drummond lächelte und sah auf die Uhr. »Ich muss in drei Stunden aufstehen und beim Umzug helfen. Meine Mutter zieht in eine betreute Wohngruppe.«
»Brauchen Sie noch Hilfe?«, fragte Byrne.
»Nein, vielen Dank.« Drummond zog seinen Mantel an. »Ich muss nur um halb sieben in Parkwood sein.«
Jessicas Blick wanderte zu Byrne und zurück zu Drummond. »Parkwood?«
»Was ist damit?«
»Es ist heute das zweite Mal, dass der Name fällt.«
»Ach ja?«, sagte Drummond.
Jessica erzählte ihm, was sie am Nachmittag gemacht hatten. Sie informierte ihn auch über Abraham Coltranes Behauptung, dass Marcellus Palmer, das Mordopfer, das sie 2004 in einem Müllcontainer nur wenige Blocks von ihrem Standort entfernt gefunden hatten, in oder in der Nähe von Parkwood begraben worden sein sollte. Drummond dachte kurz nach.
»Nun, ich bin ziemlich sicher, dass in Parkwood einmal ein Armenfriedhof war«, sagte er dann. »Er wurde aber schon vor längerer Zeit geschlossen.«
»Geschlossen?«
»Ja. Ich glaube, die Leichen wurden ausgegraben und entweder zu anderen Friedhöfen gebracht oder verbrannt. In dem Viertel waren neue Bauprojekte geplant, aber geschehen ist nie etwas.« Drummond trank sein Glas aus und stellte es auf die Theke. »Könnten Sie sich vorstellen, auf einem ehemaligen Friedhof zu wohnen?«
Jessica lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Wissen Sie, wo der Friedhof lag?«
Drummond zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Tut mir leid. Auch dass da überhaupt einmal einer war, könnte ein Irrtum sein.«
»Herr Staatsanwalt!«, schrie jemand betrunken von der anderen Seite des Raumes. »Wir brauchen Sie für eine Vorvernehmung.«
Es waren zwei alte Hasen aus dem Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft. Bei einer Vorvernehmung ging es um die Auswahl der Geschworenen. In der Regel wurde diese von Richtern und Anwälten durchgeführt, um potenzielle Geschworene nach ihren Erfahrungen und Ansichten zu fragen. Auf dem Tisch vor den beiden Staatsanwälten standen Gläser mit allen Drinks, die es in der Kneipe gab. Es mussten an die fünfzig volle Gläser sein. Drummond warf Jessica und Byrne noch einen Blick zu. »Sieht so aus, als wäre die Nacht für mich noch nicht zu Ende. Danke noch mal fürs Kommen.«
Drummond zog den Mantel aus und wankte zur anderen Seite der Kneipe.
Ein paar Minuten später hielt Byrne Jessica unten die Tür auf. Sie traten hinaus auf die Spring Garden Street.
»Wann sollen wir uns am Katasteramt treffen?«, fragte Byrne. Beim Katasteramt waren die Grundstücksverzeichnisse der Stadt aus den letzten zweihundert Jahren archiviert. Falls es in Parkwood oder in der Nähe mal einen Friedhof gegeben
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