Echo des Zorns (German Edition)
Sargdeckel. Seine Lippen bewegten sich, als spräche er mit Frank. Möglicherweise tat er das ja auch. Vielleicht sagte er seinem Vater, wie leid es ihm tat. Vielleicht flüsterte er ihm einen letzten Abschiedsgruß zu. Schließlich richtete Quinlan sich auf und eilte mit gebeugtem Kopf davon.
Einer nach dem anderen traten die Trauergäste entweder ebenfalls an den Sarg oder wandten sich ab und gingen. Schon bald waren alle weg.
Bis auf Max. Er hatte die Schultern nicht hochgezogen – er hatte sie gestrafft, zurückgenommen, und er schaute auch nicht auf den Sarg. Auch wenn sie es wegen der Sonnenbrille nicht sehen konnte, wusste Samantha, er hatte den Blick auf sie gerichtet.
Samantha wartete einfach ab. Langsam kam Max auf sie zu, bis er vor ihr unter den herabhängenden Ästen stand.
»Ich dachte, die SSD würde uns endlich in Ruhe lassen«, sagte er. In den Gläsern seiner Brille sah Samantha nur ihr Spiegelbild.
Die SSD hatte die Familie in Ruhe gelassen. Aber das war jetzt vorbei. Hyde fand, die Zeit für Samthandschuhe sei um. Er wollte die Angehörigen möglichst bald befragen.
»Nicht mal am Grab lasst ihr uns in Ruhe.« Sam spürte deutlich, wie wütend er war.
»Es gibt einige neue Erkenntnisse«, antwortete sie. Zum Beispiel die Tatsache, dass das Geld verschwunden war. Spurlos.Die SSD hatte alles durchsucht, was mit dem Verbrechen oder mit den Tätern in Zusammenhang stand. Erfolglos. »Ich will, dass ihr beide, du und Quinlan, wisst, dass mit ziemlicher Sicherheit ein weiterer Täter in die Entführungen verwickelt war.«
Er nahm die Brille ab. Sein blauer Blick krallte sich regelrecht in ihr Gesicht. »Es hätte auch jeder andere Agent herkommen und mir das mitteilen können.«
Sie wusste, was er meinte. »Ich habe mich ausdrücklich für diese Aufgabe gemeldet.« Sie hatte ihn sehen müssen.
»Seit sechs Tagen habe ich nichts von dir gehört!«
Samantha stockte der Atem. Hieß das, er hätte gern von ihr gehört? »Du wolltest Abstand. Du wolltest trauern.« Sie zuckte die Achseln. Sich fernzuhalten hatte sie fast umgebracht. Sie zwang sich, ruhig weiterzusprechen. »Hyde hatte angeordnet, der Familie ihre Privatsphäre zu lassen.« Aber sie hatte an Max gedacht. Hatte sich Sorgen um ihn gemacht.
»Hyde.« Max verzog den Mund. »Klingt, als erteile der Mann eine Menge Befehle.« Er beugte sich näher zu ihr. »Wieso hast du diese Aufgabe übernommen?«
»Weil ich dich sehen wollte.« Er hatte eine ehrliche Antwort verdient.
Er wandte den Blick ab, warf über die Schulter einen Blick auf das Grab. »Wenn ich nachts die Augen schließe, sehe ich dich.« Langsam richtete sich sein Blick wieder auf sie. »Was hast du mit mir gemacht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Max, ich …«
»Max!« Der Schrei kam von Quinlan.
Sie holte tief Luft. »Die Autos fahren los.« Die schwarze Limousine wartete mit geöffneter rückwärtiger Tür am Friedhofseingang. »Du musst los.« Sie würde ihn im Haus sehen. Dies war nicht das Ende. Nicht mal ansatzweise. Hyde wollte wissen, was das Testament besagte, und sie ebenfalls.
Max nahm ihre Hand. »Wir wissen beide, dass du zur Verlesung des Testaments kommst.« Die Fältchen rund um seine Augen wurden tiefer. »Worum geht es? Glaubt dein Chef, ich hätte mit dem Ganzen etwas zu tun? Dass ich Quinlan die verrückte Idee ins Gehirn gepflanzt hätte, er solle meinen …«
»Wir glauben, die Kidnapper hatten von Anfang an vor, Frank umzubringen.« So viel durfte sie ihn wissen lassen. »Ihn anzurufen und dorthin zu bestellen – es war eine Falle. Wir haben die Telefonverbindungen überprüft. Frank bekam einen Anruf von einem Mobiltelefon, das wir am Tatort sichergestellt haben, daher wissen wir, dass sie ihn dort hingelockt haben.«
Seine Finger schlossen sich fester um ihre Hand. »Glaubst du, ich hätte ihn in die Falle gelockt? Wegen Geld?«
»Nein.« Ehrlich nicht. Aber Hyde wollte mehr als ihre Ahnungen. Er wollte Fakten und Beweise.
»Ich bin in Franks letztem Willen nicht berücksichtigt.« Sein Daumen strich über ihr Handgelenk.
»Max!« Diesmal rief Beth. Mit ihr würde die SSD sich auch sehr bald befassen. Kim hatte sich unterdessen gründlicher mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, und allmählich wurde es Zeit für eine Vernehmung in den Räumen der SSD .
»Ich glaube dir.« Das stimmte. Samantha konnte endlich wieder jemandem trauen – ihm.
»Es hätte anders kommen sollen«, sagte er. »Zu einem anderen Zeitpunkt …«
»An einem
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