Echo Einer Winternacht
sich verdächtig machte. Nicht wie in einer Vorortstraße, wo jeder gleich wissen wollte, was man vorhatte.
Er fragte sich, wann es Gilbey erlaubt würde, seine Tochter mit nach Hause zu nehmen. Er hatte versucht, es durch einen Anruf im Krankenhaus herauszufinden, aber da war man vorsichtig gewesen und wollte nicht mehr sagen, als dass es dem Baby gut gehe. Alle, die für Kinder Verantwortung trugen, waren heutzutage sehr auf Sicherheit bedacht. Der Groll, den er gegenüber Gilbeys Tochter empfand, war überwältigend.
Niemand würde sich von diesem Baby abwenden. Sie würden es nicht einfach abgeben und sein Schicksal Fremden überlassen.
Fremde, die das Kind in einer Atmosphäre andauernder Angst aufziehen würden, der Angst, dass es etwas tun könnte, durch das es grundlosen Zorn auf sich ziehen würde. Seine Eltern hatten ihn nicht misshandelt, nicht in dem Sinn, dass er Prügel bekommen hatte. Aber sie hatten ihm ständig das Gefühl gegeben, unzulänglich und tadelnswert zu sein. Und sie hatten sich nicht gescheut, den Grund für seine Unzulänglichkeit in seiner schlechten Herkunft zu sehen. Aber ihm entging so viel mehr als Zärtlichkeit und Liebe. Die Familiengeschichten, die man ihm als Kind erzählt hatte, waren die Geschichten über andere Leute, nicht seine eigenen. Er war ein Fremder in seiner eigenen Geschichte.
Nie würde er in den Spiegel blicken und eine Ähnlichkeit mit den Zügen seiner Mutter erkennen können. Nie würde er auf die seltsamen Übereinstimmungen treffen, die in Familien vorkommen, wenn die Reaktionen eines Kindes sich mit denen seiner Eltern decken. Er war verloren in einer Welt ohne Zusammenhänge. Die einzige wirkliche Familie, die er hatte, lehnte ihn immer noch ab.
Und Gilbeys Kind würde nun alles haben, was ihm verwehrt gewesen war, obwohl sein Vater zu denen gehörte, die für seinen Verlust verantwortlich waren. Es quälte Macfadyen und fraß sich tief bis in den Kern seiner verkümmerten Seele. Es war ungerecht. Es hatte das sichere, liebevolle Zuhause nicht verdient, in das es, wie er wusste, gebracht würde. Es war an der Zeit, Pläne zu schmieden.
Weird küsste jedes seiner Kinder, als sie in den Kleinbus der Familie stiegen. Er wusste nicht, wann er sie wiedersehen würde, und sich unter diesen Umständen von ihnen zu verabschieden zerriss ihm fast das Herz. Aber er wusste, dass dieser Schmerz unendlich klein war im Vergleich dazu, wie er sich fühlen würde, wenn er untätig blieb und sie durch seine Passivität einer Gefahr ausgesetzt hätte. Nach ein paar Stunden Fahrt würden sie sicher in den Bergen sein, hinter dem Schutzwall einer fundamentalistischen Gruppe in der Einöde, deren Anführer früher Diakon in Weirds Kirche gewesen war.
Er glaubte nicht, dass selbst die Regierung dort an seine Kinder herankommen würde, und ein rachedurstiger Killer, der allein aktiv wurde, schon gar nicht.
Einerseits hielt er seine Reaktion für übertrieben, wollte dem aber andererseits keine Beachtung schenken. Jahrelang hatte er mit Gott Zwiesprache gehalten und zweifelte jetzt kaum noch an sich selbst, wenn er Entscheidungen fällen musste. Weird schloss seine Frau in die Arme und hielt sie fest. »Danke, dass du dies ernst nimmst«, sagte er.
»Ich habe dich immer ernst genommen, Tom«, murmelte sie und strich über sein Seidenhemd. »Versprich mir, dass du genauso gut auf dich aufpasst, wie du dich um uns kümmerst.«
»Ich muss noch einen Anruf machen, dann verschwinde ich.
Da wo ich hingehe, wird man mir nicht leicht folgen und mich finden können. Wir halten uns eine Weile zurück, im Vertrauen auf Gott, und ich bin sicher, wir werden diese Bedrohung überstehen.« Er beugte sich hinab und küsste sie lange und heftig. »Geh mit Gott.«
Er trat zurück und wartete, bis sie eingestiegen war und den Motor anließ. Die Kinder winkten, sie waren aufgeregt bei dem Gedanken an ein Abenteuer, das ihnen den Schulbesuch ersparte. Um das raue Wetter in den Bergen beneidete er sie nicht, aber sie würden es verkraften. Er sah dem Bus bis zum Ende der Straße nach und eilte dann ins Haus zurück. Ein Kollege in Seattle hatte ihn auf einen zuverlässigen, diskreten Privatdetektiv hingewiesen. Weird wählte die Nummer seines Mobiltelefons und wartete. »Pete Makin«, sagte die Stimme am anderen Ende mit dem schleppenden Akzent des Westens.
»Mr. Makin? Mein Name ist Tom Mackie. Reverend Tom Mackie. Ich habe Ihren Namen von Reverend Polk.«
»Ach, ein Pfarrer,
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