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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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durchgeknallten Jubel-Jesusfreaks? Du verdienst einen Freund wie Ziggy gar nicht.« Er schnappte sich seinen Mantel. »Ich gehe zur Burg. Und ich will euch zwei nicht dort sehen, außer ihr seid zur Vernunft gekommen.«
    Als diesmal die Tür zuschlug, klirrten sogar die Fenster.
     
    Als Ziggy den schwachen Lichtschein sah, dachte er zuerst, er hätte wieder eine Halluzination. Er glitt manchmal in eine Art Delirium ab, unterbrochen von klaren Momenten, in denen er zu der Erkenntnis kam, dass er anfing, an Unterkühlung zu leiden.
    Trotz der größten Anstrengungen, sich in Bewegung zu halten, war die Lethargie sein größter Feind, der schwer zu besiegen war. Hin und wieder war er halb betäubt zu Boden gesunken, und seine Gedanken schweiften auf die merkwürdigsten Dinge ab. Einmal hatte er gedacht, sein Vater sei bei ihm und habe sich mit ihm über die Aufstiegschancen der Raith Rovers unterhalten. Das war wirklich absurd. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon hier unten war. Aber als er den Lichtschimmer sah, wusste er, was er tun musste. Er sprang auf und ab und schrie, so laut er konnte:
    »Hilfe! Hilfe! Ich bin hier unten. Helft mir!«
    Einen langen Moment geschah nichts. Dann wurde das Licht unangenehm grell. Ziggy hielt sich die Hand schützend vor die Augen. »Hallo?«, hallte das Echo eines Rufs durch den Schacht und erfüllte das ganze Verlies.
    »Holen Sie mich raus«, schrie Ziggy. »Bitte, holen Sie mich raus.«
    »Ich geh und rufe Hilfe«, sagte die Geisterstimme. »Wenn ich die Taschenlampe runterfallen lasse, können Sie sie auffangen?«
    »Warten Sie«, rief Ziggy. Er traute seinen Händen nicht.
    Außerdem würde die Taschenlampe durch den Schacht he-runtergeschossen kommen wie eine Gewehrkugel. Er zog seine Jacke und seinen Pullover aus und legte sie zusammengefaltet mitten in den schwachen Lichtkegel. »Okay, jetzt«, rief er hinauf.
    Der Lichtschein schwankte und zuckte während des Falls über die Wände und warf wilde Muster auf Ziggys irritierte Netzhaut.
    Er kam plötzlich in einer Spiralkurve durch den Schacht geschossen, und dann plumpste eine schwere Lampe mit Gummigriff direkt auf die weiche Schaffelljacke. Tränen brannten in Ziggys Augen, es war eine körperliche und zugleich seelische Reaktion. Er ergriff die Taschenlampe und drückte sie wie einen Talisman an die Brust. »Danke«, schluchzte er.
    »Danke, danke, danke.«
    »Ich bin so schnell wieder da, wie ich kann«, rief die Stimme und verstummte, als der Sprecher sich entfernte. Jetzt konnte er es ertragen, glaubte Ziggy. Er hatte ja Licht. Er ließ den Schein der Lampe über die Wände wandern. Der rote raue Sandstein war an manchen Stellen glatt gescheuert, voller schwarzer Ruß-
    und Wachsflecken. Die Gefangenen mussten sich hier unten wie im Vorhof der Hölle gefühlt haben. Er wusste ja wenigstens, dass er befreit würde, und das bald. Aber für sie musste Licht nur noch größere Verzweiflung und die Erkenntnis gebracht haben, dass jede Hoffnung auf Entkommen vergeblich war.
     
    Als Alex auf der Burg ankam, standen zwei Polizeiwagen, ein Feuerwehrauto und ein Krankenwagen davor. Der Anblick des Krankenwagens ließ sein Herz heftiger klopfen. Was war mit Ziggy passiert? Er wurde ohne Probleme durchgelassen.
    Maclennan hatte sein Wort gehalten. Einer der Feuerwehrmänner wies ihm den Weg über den grasbewachsenen Burghof zum Seeturm, wo er sah, wie man mit ruhiger Professionalität vorging. Die Feuerwehrleute hatten einen mobilen Generator aufgestellt, mit dem sie Bogenlampen und eine Winde betrieben. Ein Tau hing in das Loch im Boden hinab. Alex zitterte bei dem Anblick.
    »Es ist tatsächlich Ziggy. Der Feuerwehrmann wurde gerade in einer Art Aufzug runtergelassen. Wie eine Hosenboje, wenn Sie eine Vorstellung haben, was das ist?«, sagte Maclennan.
    »Ich glaube schon. Was ist passiert?«
    Maclennan zuckte die Schultern. »Wir wissen es noch nicht.«
    Während er sprach, drang eine leise Stimme nach oben.
    »Hochziehen.«
    Der Feuerwehrmann an der Winde drückte auf einen Knopf, und das Gerät setzte sich dröhnend in Bewegung. Das Tau wickelte sich quälend langsam um eine Trommel, einen Zentimeter nach dem anderen. Es schien ewig zu dauern. Dann kam Ziggys Kopf in Sicht. Er sah verheerend aus. Sein Gesicht war mit Streifen von Blut und Schmutz verkrustet. Ein Auge war geschwollen und blau, seine Lippe aufgesprungen und blutverschmiert. Er blinzelte ins Licht, aber sobald er sehen konnte und sein Blick auf Alex

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