Echo gluecklicher Tage - Roman
hergebracht hatte, ohne sie vorzuwarnen.
Konnte es sein, dass er sie für zu dumm oder zu naiv hielt, um zu merken, was für ein Haus das hier war? Oder gab es einen teuflischeren Grund – plante er etwa, sie für dieses Geschäft zu rekrutieren?
Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, als sie endlich Jacks und Sams Stimmen auf dem Flur hörte, aber sie nahm an, dass es nach ein Uhr morgens sein musste. Sie sprang aus dem Bett, warf sich nur schnell einen Schal über ihr Nachthemd und rannte barfuß in das Zimmer nebenan.
»Beth!«, rief Sam. »Wir hatten noch gar nicht mit dir gerechnet.«
Es war klar, dass beide getrunken hatten, denn sie standen unsicher auf den Füßen, und ihre Augen waren glasig.
Sie erzählte ihnen aufgeregt, was sie gesehen hatte und wie wütend sie darüber war, dass Theo ihr nichts erzählt hatte. »Hat er euch gesagt, was das hier für ein Haus ist, bevor ihr herkamt?«, fragte sie.
»Ja, hat er«, antwortete Jack ein bisschen verlegen. »Aber er hat erklärt, dass wir im Keller wohnen würden und nichts mit dem zu tun hätten, was da oben passiert. Wir benutzen nicht mal den Eingang, wir gehen durch die Kellertür.«
»Reg dich nicht auf, Schwesterchen«, sagte Sam und lallte dabei ein bisschen. »Es ist nur ein Ort, an dem wir bleiben, bis wir etwas anderes finden, und wir haben auch schon Arbeit. Außerdem ist es ja nicht so, dass du noch nie Huren begegnet wärst. Kate und Amy waren deine Freundinnen.«
Beth war in ihrer Naivität davon ausgegangen, dass Sam nicht ahnte, womit ihre Freundinnen in New York ihr Geld verdienten, und sie war verlegen deswegen. »Aber Theo hat es mir nicht gesagt«, jammerte sie.
»Geh wieder ins Bett«, verlangte Sam ungeduldig. »Ja, Theo ist ein kleiner Schuft. Warum, glaubst du, habe ich dich so ungern bei ihm gelassen? Aber wir haben ein Dach über dem Kopf und einen Job, und alles ist gut. Wir reden morgen weiter.«
Beth sah Jack flehend an, aber er zuckte nur mit den Schultern. »Es gibt schlimmere Orte als Bordelle«, meinte er.
Es war am nächsten Morgen gerade hell geworden, als Beth Theos Stimme hörte. Es klang, als wenn er sich oben in der Küche mit jemandem unterhielt. Voller Wut, dass er sie nicht nur betrogen, sondern auch noch ihren Bruder und ihren Freund korrumpiert hatte, zog sie sich an und rannte nach oben.
Er saß ruhig am Tisch, trank eine Tasse Kaffee und redete mit Pearl. Sein zerzaustes Haar und der dunkle Schatten auf seinem Kinn bewiesen, dass er die ganze Nacht aus gewesen war.
»Wie konntest du mir das antun?«, fuhr sie ihn an, bevor er ihr einen guten Morgen wünschen konnte. »Du hast mich glauben lassen, dass du mich an einen anständigen Ort bringst. Das hier ist ein Bordell!«
Es war ihr egal, ob sie Pearl damit beleidigte, und als er über ihre Entrüstung lachte, wollte sie ihm in sein hübsches Gesicht schlagen.
»Jetzt komm schon, Beth«, sagte er und klopfte auf den Stuhl neben sich, damit sie sich zu ihm setzte. »Glaubst du wirklich, dass anständige Leute jemanden aufnehmen würden, die auf der Flucht vor New Yorker Schlägertypen sind?«
Das war etwas, das Beth nicht bedacht hatte, und es nahm ihr den Wind aus den Segeln.
»Ich glaube, du solltest sehr dankbar sein, dass eine so nette Person wie Pearl das Risiko eingegangen ist, sich Ärger einzuhandeln«, fügte er tadelnd hinzu.
Beth blickte Pearl an, die immer noch ihr Nachthemd und eine kleine Spitzenhaube über dem Haar trug. Ihr freundliches Gesicht sah besorgt aus, und Beth schämte sich ein bisschen für ihren Ausbruch, denn die Frau hatte sie gestern Abend so herzlich empfangen. Außerdem schien Pearl auch nicht die Haushälterin, sondern die Besitzerin dieses Hauses zu sein. »Du hättest mich warnen können«, sagte sie. »Es war so ein Schock.«
»Du hättest so schlau sein können, es selbst zu merken.« Theo seufzte und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Du wurdest monatelang von Heaney bezahlt, du hast in einem Laden gearbeitet, in dem die meisten der New Yorker Huren ihre Kleider kaufen, ich dachte wirklich, das hätte dir die Augen für die Realität geöffnet. Außerdem hast du deine eigene Anständigkeit eingebüßt, als du das erste Mal öffentlich aufgetreten bist.«
Beth starrte ihn einen Moment lang an, weil sie kaum glauben konnte, was er da sagte, aber dann, als ihr klar wurde, dass er vermutlich recht hatte, brach sie in Tränen aus.
Es war Pearl, die zu ihr kam, um sie zu trösten.
»Na, na, nun regen
Weitere Kostenlose Bücher