Echo gluecklicher Tage - Roman
Sie sich nicht auf«, sagte sie und drückte Beth gegen ihren ausladenden Busen. »Hier wird Ihnen nichts passieren, Sie müssen den Mädchen nicht mal begegnen, wenn Sie das nicht möchten. Aber wenn Sie mit Ihrem Geigenspiel Geld verdienen wollen, dann müssen Sie damit leben, dass Sie als leichtes Mädchen angesehen werden.«
»Aber warum?«, schluchzte Beth. »Niemand denkt schlecht über einen Mann, der ein Instrument spielt. Ich bin kein leichtes Mädchen, ich liebe nur Musik.«
»Es ist eine Männerwelt, Schätzchen. Tänzerinnen, Sängerinnen, Schauspielerinnen und Musikerinnen – sie sind alle gebrandmarkt«, tröstete Pearl sie. »Sie können Miss Prüde-ich-gehe-jeden-Sonntag-in-die-Kirche sein, aber dann dürfen sie auch nur langweilige Kleider tragen, müssen sich einen anständigen Job suchen und werden ein langweiliges Leben führen. Aber wenn Sie gerne Miss Frech, die Geigenspielerin, sein wollen, die bis mittags schläft und jede Menge Spaß hat, dann müssen Sie lernen, nicht auf das zu hören, was andere über Sie sagen.«
»Wofür wirst du dich entscheiden, Beth?«, fragte Theo. »Ich habe dir nämlich für heute Abend ein Debüt organisiert.«
Beth löste sich aus Pearls Armen, wischte sich über die Augen und blickte in die seinen dunklen in der Hoffnung, Liebe darin zu entdecken. Sie konnte Belustigung darin sehen, aber das war alles.
»Dann schätze ich, dass ich spielen muss«, sagte sie leichthin. »Es wäre nicht richtig, dich im Stich zu lassen, nachdem du dir so viel Mühe gegeben hast.«
Vielleicht würde er sie eines Tages lieben, wenn sie ihn weiter amüsierte.
»So, hier, Schätzchen«, sagte Pearl, als sie Beth ihr rotes Kleid reichte, das sie für sie gebügelt hatte. »Und ich habe einen sehr hübschen roten Haarschmuck, den du dir leihen kannst, wenn du magst.«
Es war sechs Uhr abends, und Beth war es gelungen, ihren Schock über die Art des Hauses zu überwinden, weil es niemand Netteren geben könnte als Pearl.
Nach ihren Worten heute Morgen war Theo in seinem Zimmer verschwunden, das im Keller etwas weiter den Gang hinunter lag. Pearl hatte ihr gesagt, dass Jack und Sam erst gegen Mittag wieder auftauchen würden, und wie es schien, waren auch die Mädchen oben Langschläfer.
Nachdem Beth sich richtig gewaschen und angezogen hatte, war sie nach oben gegangen, um Pearl ihre Hilfe bei der Hausarbeit anzubieten, weil sie wegen ihrer unhöflichen Bemerkung immer noch ein schlechtes Gewissen hatte. Pearls breites Lächeln zeigte ihr zwar, dass sie ihr Angebot zu schätzen wusste, aber sie kochte prompt eine weitere Kanne Kaffee und machte Beth klar, dass sie sich lieber nur unterhalten anstatt sich um den Haushalt kümmern wollte.
Beth hatte in Liverpool viele Schwarze gesehen, und noch mehr, seit sie nach Amerika gekommen war, aber Pearl war die Erste, mit der sie wirklich sprach. Sie war intelligent, lustig und freundlich. Selbst ihrer Stimme hörte man gerne zu, denn sie war tief und melodiös, mit einem ganz leichten Südstaaten-Akzent.
Aber das Erstaunlichste an ihr war ihr Alter. Ihr Gesicht war faltenlos, sie bewegte sich trotz ihres Bauchs elegant und schnell, und Beth glaubte, dass sie nicht älter als vierzig sein konnte. Aber wenn die Geschichten stimmten, die sie ihr erzählte, und Beth glaubte sie, dann war sie über sechzig, und sie gestand Beth lachend, dass sie nur deswegen einen Turban oder eine Kappe trug, weil ihr Haar schneeweiß war.
Sie erzählte Beth, dass sie als Sklavin in Mississippi geboren worden sei, aber dass sie und ihre Mutter geflohen seien, als sie dreizehn war, und dass ein paar Abolitionisten in Kansas ihnen geholfen hätten.
»Die Leute fuhren in Güterzügen nach Westen«, erklärte sie. »Es waren fast alles gute Leute, und wir gingen mit ihnen und halfen ihnen mit ihren Kindern, der Wäsche und dem Kochen im Austausch gegen Essen. Wir wollten bis nach Oregon, aber plötzlich hieß es, man hätte in San Francisco Gold gefunden, und ganz viele Leute sprangen aus dem Zug und wollten stattdessen dorthin gehen. Ma fand, dass wir das auch tun sollten, weil wir dort als Köchinnen Arbeit finden würden.«
Beth hörte fasziniert zu, während Pearl beschrieb, wie sie auf dem Weg nach Kalifornien durch die Sierra Nevada gewandert und vom Winter überrascht worden waren. »Es war so kalt, und der Schnee lag so hoch, dass wir dachten, wir würden dort sterben, wie einige andere Leute«, sagte sie. »Aber wir gelangten irgendwie nach San
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