Echo gluecklicher Tage - Roman
schrecklich kalt gewesen. An ihrem neunzehnten Geburtstag im Februar hatte es einen Schneesturm mit meterhohen Schneewehen gegeben. Aber in Pearls Küche war es immer warm, und »der Bär« lag nur ein paar Straßen entfernt. Wenn sie abends spät nach Hause kam, wärmte immer ein heißer Backstein ihr Bett, und wenn sie morgens aufwachte, roch es nach gebratenem Schinken oder Pfannkuchen.
An den Abenden, an denen sie nicht Geige spielte, arbeitete sie trotzdem im Saloon, servierte Getränke und sammelte Gläser ein, und sie hörte den anderen Musikern und Sängern zu. Sie hatte auch viele Freunde gefunden, sowohl unter den Gästen als auch beim Personal.
Frank Jasper stand in dem Ruf, starrköpfig und rücksichtslos zu sein, aber Beth fand ihn jovial und fair. Das ganze Geld, das die Gäste für die Musiker in den Hut warfen, wurde gerecht unter allen aufgeteilt, und er nahm sich keinen Anteil davon. Aber er liebte die Musik ja auch wirklich und war stolz darauf, neue Talente zu finden und zu fördern. Manchmal ließ er Beth andere Musiker nur begleiten, an anderen Abenden war sie der Star, aber ob sie nun spielte oder nur im Publikum stand und zusah und zuhörte, sie lernte ständig, und sie spürte, dass das Mr Jaspers Absicht war.
Frank Jasper war ein großer Verehrer des Italieners Paganini und des Spaniers Pablo Sarasate, beides großartige Geiger, und er hatte das Glück gehabt, Sarasate bei einem Konzert in New York spielen zu hören. Miss Clarkson hatte Beth von diesen beiden Männern erzählt und sie mit zu einem Konzert genommen, wo das Orchester deren Musik spielte, deshalb konnte sie Mr Jaspers Begeisterung verstehen. Theo hatte gesagt, er würde sie hier in Philadelphia mit zu Konzerten nehmen, um ihr Wissen über andere Musiker zu erweitern.
Heimweh nach England gehörte der Vergangenheit an. Beth schrieb den Langworthys noch genauso regelmäßig und freute sich sehr auf ihre Briefe mit Neuigkeiten über Molly, aber sie sehnte sich nicht mehr nach Hause zurück.
Es war das Leben bei Pearl, das ihre Sichtweise am meisten verändert hatte. Es war schwer, das, was im Haus passierte, zu missbilligen, wenn sie so viel Gelächter und Fröhlichkeit aus den oberen Zimmern hörte. Sie kannte jetzt alle Mädchen, und keines von ihnen war eine unglückselige Kreatur, die zu ihrem Beruf gezwungen wurde. Sie hatten ihn selbst gewählt. Einige wollten einfach leichtes Geld verdienen, andere suchten das Abenteuer, und Missy hatte Beth gestanden, dass sie Sex liebte und keinen Grund sah, warum sie sich dafür nicht bezahlen lassen sollte.
In Pearls gesamtem Haus herrschte eine verführerische Atmosphäre, zusammengesetzt aus dem Duft der Mädchen, dem Zigarettenqualm und dem Klimpern des Klaviers im Salon. Selbst die Waschküche neben Beths Zimmer war immer mit knapper Seiden- und Spitzenunterwäsche geschmückt. Spät in der Nacht, wenn sie das Geräusch von quietschenden Bettfedern hörte, sehnte Beth sich danach, mit Theo im Bett zu liegen und die Freuden zu entdecken, von denen die Mädchen ihr erzählt hatten.
Sie liebte ihn, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihm auch etwas bedeutete, denn warum sonst würde er jeden Abend kommen und sie nach Hause begleiten, sie zum Essen ausführen oder ihr kleine Geschenke wie Schokolade, Blumen oder Haarschmuck machen? Pearl hatte betont, dass heißblütige Männer Sex brauchten und dass sie woanders hingingen, wenn sie ihn nicht mit der Frau haben konnten, die sie liebten. Sie sagte, nur ein Narr würde etwas anderes glauben. Und Pearl musste es wissen: Jeden Abend stand eine lange Schlange verheirateter oder verlobter Männer vor ihrer Tür.
Beth glaubte, dass Theo vielleicht nicht mehr so oft fort sein und offener über alles mit ihr sprechen würde, wenn diese Hürde erst einmal genommen war. Die Ehe war nicht mehr so wichtig für sie wie früher. Sie wollte nur, dass er ihr sagte, dass sie sein Mädchen war und dass er sie in seine Pläne einschloss.
Beth setzte sich auf das Sofa, während Theo ihr ein Glas Wein eingoss. »Ist dir warm genug?«, fragte er und reichte es ihr.
»Ja, danke«, erwiderte sie, plötzlich nervös. Sie liebte seine Küsse und von ihm gehalten und gestreichelt zu werden, aber sie wusste nicht wirklich, was danach kam, ob Theo sie ausziehen würde oder ob sie das selbst tun musste. Würde er ihr wehtun? Und würde er wissen, wie er dafür sorgen konnte, dass sie nicht schwanger wurde?
Beth hatte sich bei Pearl genau erkundigt,
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