Echo gluecklicher Tage - Roman
Musik erklang aus einem Dutzend verschiedener Richtungen, und betrunkene Matrosen schwankten singend zwischen den Leuten hindurch.
Es gab Werber, die versuchten, die Unachtsamen zu Kartenspielen in dunkle Gassen zu locken, und Huren, die aufreizend an Türen standen. Bettler, Straßenmusikanten, Straßenkünstler und Hausierer trugen zu dem Trubel bei.
Jack blieb vor einem sehr vollen Saloon an einer Kreuzung an der Water Street stehen. »Machen wir uns hier drin bemerkbar«, sagte er grinsend. »Hier gibt es keine Musik, also können wir sie vielleicht überreden, dass sie welche brauchen!«
Während Beth mit Theo an der Tür stand und Jack und Sam an die Bar gingen, um ihnen etwas zu trinken zu holen, dachte sie darüber nach, wie sehr sich die Dynamik in ihrer kleinen Gruppe seit ihrer Abreise aus Philadelphia geändert hatte. Theo war damals ihr unangefochtener Anführer gewesen, wegen seiner starken Persönlichkeit und seiner Herkunft und weil er das meiste Geld besaß. Sam war seine rechte Hand, und Jacks Rolle war fast die eines Dieners gewesen.
Als Theo dann in Montreal so oft verschwand, hatten Jack und Sam begonnen, eigene Entscheidungen zu treffen. Doch selbst da musste Theo nur mit den Fingern schnippen, und sie waren mit seinen Plänen einverstanden gewesen.
Nach ihrer Abreise aus Montreal änderte sich das alles; Theo und Sam waren beide zu feine Stadtmenschen, um sich unter den rauen, starken Farmern, Holzfällern und Bauarbeitern wohlzufühlen, die ihnen begegneten. Aber diese Männer mochten Jack, erkannten in ihm einen der ihren.
Plötzlich war es Jack, der die Entscheidungen traf, und er zog Sam und Theo mit. Bei einigen der Jobs, die sie annahmen, hätten sie keinen Tag ohne Jack durchgehalten, der ihnen half und ihre fehlenden Fähigkeiten überspielte. Sam fing bald an, härter zu werden, und war stolz darauf, neue Dinge zu lernen und mit Jack und den anderen Männern mithalten zu können. Aber Theo war wie ein Fisch auf dem Trockenen; er konnte sich nicht anpassen. Er kam nur durch seinen Charme über die Runden, und Beth hörte, dass die Männer ihn oft abfällig den »englischen Gent« nannten.
Sie fragte sich, ob Theo jetzt, wo sie sich wieder in einer Umgebung befanden, in der er sich wohlfühlte, versuchen würde, wieder der Anführer ihrer Gruppe zu werden.
Jack und Sam kehrten mit den Drinks zurück und grinsten beide breit.
»Wir haben den Wirt gefragt, ob du spielen kannst«, sagte Sam. »Er antwortete: ›Wenn sie sich traut.‹ Und, traust du dich, Schwesterchen?«
Beth nahm ihr Glas Rum, blickte sich in dem vollen Saloon um und trank dann alles in einem Schluck aus. »Versuch, mich davon abzuhalten«, erwiderte sie mit einem breiten Lächeln. Theo reichte ihr den Geigenkasten, und sie öffnete ihn und holte ihr Instrument heraus.
»Wie viel Geld müssen wir dem Wirt geben?«, fragte sie.
»Das hat er nicht gesagt«, entgegnete Jack. »Ich schätze, er glaubt nicht wirklich, dass es überhaupt welches geben wird. Ich gehe mit dem Hut rum, und wir bieten ihm am Ende am besten etwas davon an, und dann lässt er dich vielleicht regelmäßig hier auftreten.«
Theo beobachtete Beth, während sie sich einen Weg durch die Menge in den hinteren Teil des Saloons bahnte, die Geige unter den Arm geklemmt, den Bogen in der Hand. Sie sah aus wie eine schlanke Flamme in ihrem roten Kleid, und er konnte an ihrem geraden Rücken und der Art, wie sie ihre Schultern hielt, sehen, dass sie heute Abend erfolgreich sein wollte.
Sie verschwand aus seinem Blickfeld, und Theo spürte eine Welle der Sorge in sich aufsteigen, aber plötzlich sah er sie über den bulligen Männern auftauchen, die ihm die Sicht versperrten, und ihm wurde klar, dass sie jetzt auf einem Tisch stand.
Sie klemmte sich die Geige unter das Kinn, zog den Bogen über die Saiten und begann mit »Kitty O’Neill«.
Ein paar Augenblicke lang kam keine Reaktion von den Gästen; fast alle drehten ihr den Rücken zu. Theo hielt den Atem an, aber langsam begannen die Männer, sich zu ihr umzudrehen, und auf ihren Gesichtern breitete sich ein anerkennendes Lächeln aus.
Theo sah, wie sehr Beth mit ihrem Publikum im Einklang war. Sie lächelte und warf ihr Haar zurück, spielte schneller, als alle aufmerksam wurden, und wusste genau, was sie tun musste, um die Aufmerksamkeit zu behalten.
»Sie ist besser als je zuvor«, keuchte Jack. »Sieh dir ihr Gesicht an!«
Theo konnte nichts anderes sehen. Nicht die Männer, die vor ihr
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