Echo gluecklicher Tage - Roman
alleine zurückfahren muss.«
Sam umfasste ihre Arme und drückte sie. »Was ist los mit dir, Schwesterchen? Du solltest an einem Tag wie heute nicht an so etwas denken. Auf uns wartet ein neues Abenteuer.«
»Wie oft, glaubst du, hast du das jetzt schon zu mir gesagt, seit wir Liverpool verlassen haben?«, fragte sie. »Es geht immer nur darum, was als Nächstes passiert, und es bleibt nie Zeit, über die Vergangenheit nachzudenken.«
»War die Vergangenheit denn so gut, dass wir uns ständig daran erinnern müssen?«, entgegnete er mit wütendem Unterton in der Stimme. »Soweit ich mich erinnern kann, musste ich mir damals ständig sagen lassen, was ich zu tun und zu lassen habe – und niemand hat mich je gefragt, was ich will. Nun, ich wollte schon als Kind reich sein, und das will ich jetzt noch mehr. Unser Vermögen liegt in Dawson City, Beth, liegt dort herum und wartet auf uns, ob wir es nun ausgraben oder es durch das Spielen verdienen. Wenn ich reich bin, kann ich endlich vergessen, dass Papa sich wegen Mamas Untreue umgebracht hat.«
Beth war schockiert, ihn so etwas sagen zu hören. Sie hatte gedacht, das habe er schon vor langer Zeit hinter sich gelassen.
»Ich kann es nicht vergessen«, sagte er, als habe er ihre Gedanken gelesen. »Deswegen kann ich Frauen auch nicht vertrauen – abgesehen von dir natürlich.«
»Na, da bin ich aber froh«, erwiderte sie sarkastisch. »Aber was passiert, wenn du in Dawson nicht reich wirst?«
»Das werde ich«, erklärte er unbekümmert. »Ich weiß es.«
Über siebentausend Boote brachen an diesem Nachmittag im warmen Sonnenschein auf, eine riesige Armada der merkwürdigsten Konstruktionen, die es jemals zu sehen gab. Einige hatten nur einen alten Mantel oder ein Hemd als Segel; auf den meisten wehte jedoch eine Art selbst gemachte Fahne, auf die der Name des Bootes aufgemalt oder -genäht war. Einige hatten bereits gefährlich Schlagseite; andere sahen schwungvoll und sportlich aus. Alte Leute, junge Leute, Banker, Verkäufer, Farmer, Soldaten, Matrosen und Tänzerinnen – Menschen aus allen sozialen Schichten waren hier vertreten. Einige hatten ihre Frauen und Familien verlassen, einige waren auf der Flucht vor der Justiz; es gab welche aus der Oberschicht und solche aus den Slums der Städte. Doch die meisten hatten in ihrem Leben noch nie etwas Aufregendes erlebt und ihre gesamten Ersparnisse in dieses verrückte Abenteuer gesteckt.
Beth fühlte all diese Hoffnung, während sie am Heck der Gypsy saß, Jack und Sam voller Elan paddelten und Theo am Ruder stand. Der Ruf »Wir sehen uns in Dawson« klang über den See und hallte von den Bergen wider. Sie blickte zum Ufer und sah etwas, das aussah wie eine riesige Müllhalde: verlassene Sägewerke, zerrissene Überreste von Zelten, Kleider und Kisten. Leere Flaschen und Dosen glänzten in der Sonne, es gab Tausende von Baumstümpfen, denn ein ganzer Wald war abgeholzt worden, um die Boote zu bauen.
Zuerst paddelten und ruderten alle wie wild, weil sie zu den Ersten gehören wollten, aber als sie tieferes Wasser erreichten, kam Wind auf und füllte die Segel, und die Paddel und Ruder wurden eingezogen.
Später ließ der Wind nach, und schließlich wurde es ganz windstill, aber als hätte jemand eine leise Botschaft von Boot zu Boot gesandt, griff niemand nach den Rudern. Stattdessen setzten sich alle, zündeten ihre Pfeifen an und ließen sich von der Strömung weitertreiben. Überall fingen die Leute an zu singen, fröhliche Melodien von Menschen, die glaubten, dass das Schlimmste hinter ihnen lag und dass morgen noch früh genug war, um dem Gold weiter hinterherzujagen.
Am nächsten Morgen begann das Rennen erneut, und Jack war glücklich darüber, dass ihr großes Segel seine volle Leistungskraft erreichte und sie schnell vorankamen. Vor ihnen befanden sich etwa vierzig oder fünfzig Boote, während sich der Rest in großen Gruppen hinter ihnen zusammendrängte.
Weil die Sonne warm schien und das Wasser funkeln ließ und weil ihr Floß sehr viel stabiler und besser zu manövrieren schien als alle anderen, die sie gesehen hatten, besserte sich ihre Laune noch weiter. Jack hatte ihnen allen niedrige Stühle gebaut, auf denen sie sitzen konnten, sodass Wasser, das durch die Ritzen heraufschwappte, ihre Kleider nicht durchnässte. Darauf saßen sie jetzt und lobten sich gegenseitig für ihr handwerkliches Geschick und ihre Voraussicht.
Am Nachmittag bemerkte Beth dann, dass einige Leute auf den Booten
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