Echo gluecklicher Tage - Roman
Herzblumen.
Nachdem sie so lange in einer weißen, schneebedeckten Welt gelebt hatte, wirkten die Farben, die erschienen, als der Schnee sich zurückzog, fantastisch bunt. Rote Berge, dunkelgrüne Tannen und das grelle Grün von Flechten und Moosen wetteiferten mit dem Pink, Blau und Gelb der Bergblumen, die etwas weiter vom Lager entfernt den Boden bedeckten. Die Spatzen und Rotkehlchen kamen zurück, und oft übertönte der Vogelgesang fast das Sägen und Hämmern.
Manchmal ging Beth mit ihrer Geige in den Wald, weg vom ständigen Lärm des Camps, und spielte für sich selbst, froh darüber, allein zu sein. Eines Tages sah sie zwei kleine Bären in der Sonne unter einem großen Felsen spielen und versteckte sich, um sie aus sicherer Entfernung zu beobachten. Sie fühlte sich privilegiert, ihnen zusehen zu dürfen. Ihre Mutter kam bald danach zurück und stieß sie spielerisch mit ihren großen Tatzen an. Der Anblick weckte Erinnerungen an Molly zu Hause in England, und Beth stiegen Tränen in die Augen.
Wenn sie allein war, merkte sie oft, dass sie keine Pläne oder gar Träume für die Zukunft mehr hatte. Alle anderen schienen vom Gold zu träumen; abends am Lagerfeuer sprachen sie darüber, wofür sie es ausgeben und wohin sie als Nächstes gehen würden. Aber Beth konnte nicht über den nächsten Tag hinausdenken. Es gab viele Dinge, die sie wollte – ein richtiges, wasserdichtes Haus, ein heißes Bad, ein weiches Bett, frisches Obst, ein hübsches Kleid anziehen und wissen, dass es nicht nach fünf Minuten voller Schlamm war. Sie hätte gerne mit Theo geschlafen, denn das war unmöglich, seit sie Dyea verlassen hatten, weil sie so froren und so dreckig waren und weil Sam und Jack ständig in der Nähe waren. Sie sehnte sich auch danach, Molly und England wiederzusehen, aber selbst das war so weit weg, dass sie es nicht einen Plan nennen konnte.
Sie fragte sich, was mit den Träumen passiert war, die sie früher gehabt hatte. Von einem Haus mit einem hübschen Garten. Von ihrem Hochzeitstag oder einem Urlaub am Meer. Sie dachte jetzt nur noch manchmal daran. Lag es nur daran, dass sie bereits so viel mehr gesehen hatte, als sie sich jemals hätte erträumen können? Oder war sie einfach nur desillusioniert?
Theo träumte oft davon, dass sie in einer eleganten Wohnung in New York leben würden oder in einem großen Herrenhaus in England. Sie hätte gerne geglaubt, dass das eines Tages Wirklichkeit werden würde, aber das konnte sie nicht. Theo hatte das Geld zurückgewonnen, das er am Lake Lindemann verloren hatte, aber dann hatte er es erneut verloren. Die Realität war, dass ihr Leben mit ihm immer so sein würde, niemals sicher, niemals irgendwo zu Hause, immer auf der Suche nach der großen Chance.
Beth kannte seine Fehler und wusste auch, dass es große waren, die er niemals ablegen würde. Manchmal wünschte sie, sie hätte auf das gehört, was Ira ihr über Spieler gesagt hatte, und ihm niemals ihr Herz geschenkt. Aber wenn es gut zwischen ihnen lief, war es wunderschön, denn er war lustig, clever und so liebevoll, und sie neigte dazu, die schlechten Dinge zu übersehen – dass er so oft verschwand, seine Lügen und Halbwahrheiten, seine Faulheit und seine Betrügereien.
Ihre wahre Sicherheit kam aus ihrem Innern. Sie wusste, dass sie mit ihrer Geige überall ihren Lebensunterhalt verdienen konnte, und sie liebte das genauso sehr, wie sie Theo liebte. Vielleicht brauchte sie keinen Traum, weil sie ihn bereits lebte?
Sie hörten das erste Knacken in den frühen Morgenstunden des 29. Mai. Beth hielt es für einen Schuss und setzte sich erschrocken auf. Aber dann kam noch einer, und ihr wurde klar, dass das Eis aufbrach.
Jetzt wurde es nachts nicht mehr richtig dunkel. Der Himmel färbte sich um Mitternacht herum rosa und violett, als würde die Sonne endlich sinken, aber völlig dunkel wurde es nicht. Also sprang sie auf, zog ihre Stiefel an und weckte die anderen, dann rannte sie die wenigen Meter zum Ufer.
Als die Männer zu ihr traten, hatten sich bereits Hunderte von Leuten versammelt und beobachteten das Schauspiel. Das Eis knirschte und knackte, dunkelgrünes Wasser sprudelte durch die Risse und schwemmte die Holzabfälle, Sägespäne, Nägel und Teerflecken vom Kalfatern der Boote weg. Jemand fing an zu jubeln, und alle stimmten mit ein, fassten sich an den Händen und drehten sich im Kreis wie spielende Kinder.
Der letzte Tag am Lake Bennett war für alle ein fröhlicher, denn am
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