Echo gluecklicher Tage - Roman
konnten, an wem oder was sie vorbeikamen.
Dann war es plötzlich vorbei, genauso schnell, wie es angefangen hatte. Sie trieben wieder in ruhigem Wasser.
Jack paddelte zum Ufer, sprang an Land und machte das Floß fest. Überall am Rand des Flusses lagen Boote, einige völlig zersplittert, andere mit Löchern im Rumpf. Bei den meisten waren Ladung oder Leute über Bord gegangen.
Das ohrenbetäubende Rauschen der Stromschnellen lag hinter ihnen, aber jetzt umgab sie das laute Weinen von Menschen in höchster Not. Riesige Säcke mit Proviant schwammen vorbei, aus denen Mehl, Zucker oder Reis ausliefen. Ein Käfig mit wild gackernden Hühnern trieb ans Ufer, Hunde schwammen an Land und schüttelten sich. Viele Menschen waren noch im Wasser, von denen die meisten sich an einem dicken Stück Holz oder einer Kiste festhielten. Theo und Jack sprangen hinein und schwammen zu ihnen, um ihnen zu helfen, während Beth am Ufer entlangrannte und nach Sam suchte.
Sie sah zwei Leute, die leblos aus dem Wasser gezogen wurden. Ihre Freunde und Verwandten versuchten verzweifelt, sie wiederzubeleben, und schließlich entdeckte sie Sam. Selbst aus der Entfernung von mehreren hundert Metern wusste sie, dass er es war, denn sie erkannte ihn an seinem butterfarbenen Haar und dem roten Tuch um seinen Hals. Sie wusste auch, dass er tot war, denn er trieb im Wasser und bewegte sich nicht.
»Er ist hier!«, schrie sie zu Theo und Jack und deutete auf die Stelle. »Holt ihn raus, schnell.«
Die schnelle Strömung trieb Sam auf sie zu, und zusammen zogen sie ihn ans Ufer. Beth lief in das flache Wasser, um ihnen zu helfen, und als sie den Kopf ihres Bruders mit den Händen umfasste, sah sie, dass er sich den Schädel an einem Stein aufgeschlagen hatte.
Alle drei schwiegen, während sie Sam an Land trugen, weil sie alle wussten, dass die hektischen Wiederbelebungsversuche, mit denen die anderen versuchten, ihre Liebsten ins Leben zurückzuholen, bei ihrem Freund und Bruder nichts nützen würden.
Beth sank neben Sam auf die Knie und schluchzte, während sie ihm sein hübsches Gesicht mit ihrem Rock abtrocknete. Er war viel mehr gewesen als ein Bruder; er war der Gefährte ihrer Kindheit gewesen, ihr Verbündeter, ihr Freund und Vertrauter, und sie hatten ihr Leben lang alles miteinander geteilt. Sie konnte nicht glauben, dass das Schicksal so grausam war, ihn ihr einfach zu nehmen.
Sie konnte ein schreckliches Heulen hören, und als Jack und Theo sie an den Armen griffen und versuchten, sie von Sams Leiche wegzuziehen, wurde ihr klar, dass dieses Heulen von ihr kam.
»Ich kann ohne ihn nicht weiterleben«, rief sie wütend. »Er war der Letzte, der von meiner Familie noch übrig war.«
»Du hast doch noch uns«, sagte Theo und zog sie in seine Arme. »Wir wissen, wie du dich fühlst. Jack und ich haben ihn auch geliebt.«
Erst da sah sie, dass die beiden ebenfalls weinten. Sie versuchten nicht, ihre Trauer zu verbergen, wie es so viele Männer taten; Tränen liefen ihnen ohne Unterlass über die Gesichter, und in ihren Augen stand der gleiche Schmerz, den sie empfand.
Wie lange sie dort neben Sams Leiche standen und weinten, wusste Beth nicht. Sie waren alle nass und zitterten vor Kälte, aber es war, als hätten der Schock und die Trauer sie gelähmt. Noch mehr Boote mussten in den Stromschnellen gekentert sein, denn wie durch einen Nebel hörte sie andere schreien und kreischen. Aber erst als ein Mann sie mit Namen ansprach und ihnen anbot, ihnen dabei zu helfen, ein Grab auszuheben, erwachten sie so weit aus ihrer Erstarrung, dass sie in ihm und seinen Begleitern Männer erkannten, die ihnen am Lake Bennett begegnet waren, und ihnen wurde klar, dass sie Sam beerdigen mussten.
»Er war ein guter Mann«, sagte der Anführer, in dessen Augen echtes Mitgefühl und Verständnis zu erkennen waren. »Es tut uns so leid, dass Sie ihn verloren haben. Wir möchten Ihnen helfen.«
»Es ist nicht richtig«, schluchzte Beth, während sie zusah, wie die Männer im weicheren Boden in der Nähe des Ufers ein Loch aushoben. »Wir sind so weit gekommen und haben so viel durchgemacht. Warum müssen wir ihn jetzt verlieren?«
»Ich habe nicht gesehen, wie es passiert ist«, sagte Jack verzweifelt, als wenn er glauben würde, dass er es sonst vielleicht hätte verhindern können.
Theo kniete neben Sam und strich ihm das blutverschmierte Haar aus der Stirn. »Oh Sam, Sam, was sollen wir nur ohne dich tun?«, rief er, doch die Stimme versagte ihm vor
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