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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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Trauer.
    Es kam Beth unwirklich vor, als sie zusah, wie Jack und Theo Sam in das hastig geschaufelte Grab legten. Ihre Mutter und ihr Vater waren beide an kalten, grauen Tagen beerdigt worden; sie hatte sich von Molly bei ähnlichem Wetter verabschiedet; selbst der Tag, an dem sie ihr Baby verloren hatte, war kalt und trostlos gewesen. Beerdigungen mussten an solchen Tagen stattfinden, an nüchternen Orten, nicht hier im hellen Sonnenschein neben einem glitzernden Fluss zwischen blühenden Frühlingsblumen, die am Ufer wuchsen. Sam war jung und stark – er hatte sein ganzes Leben noch vor sich und so viele Pläne und Träume; es konnte nicht richtig sein, dass er nichts davon mehr verwirklichen konnte. Beth glaubte fast, dass sie jeden Moment aus einem schrecklichen Albtraum erwachen und mit Sam darüber lachen würde.
    Aber es war kein Traum, denn Theo las eine Stelle aus der Bibel vor, und seine Stimme zitterte, während er versuchte, nicht zusammenzubrechen. Das Holzkreuz, das Jack zusammengenagelt und in das er in groben Buchstaben Sams Namen eingeritzt hatte, lag auf dem Erdhügel und wartete darauf, in das Grab gesteckt zu werden.
    Ihre Stimmen waren dünn und tränenerstickt, als sie »Rock of Ages« sangen, und Beth dachte verbittert, dass Gott sie erneut verlassen hatte.
    Überall entlang den Fluss kämpften auch andere mit den Folgen der Canyon-Durchquerung, einige hoben Gräber aus, andere kümmerten sich um die Verletzten. Sie konnte Weinen und gequälte Schreie von denen hören, die ihre Boote und ihre Sachen verloren hatten. Und sie konnte hören, wie ihr eigenes Herz brach.

30
    »Wie viel? Wie viel?« Noch eine Gruppe von Stick-Indianern rief ihnen von ihrem Lager am Flussufer aus zu. Beth wandte den Blick ab, denn sie waren dreckig, zerlumpt und sahen krank aus, und sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihnen nichts gab. Aber sie hatten bereits anderen Gruppen weiter oben am Fluss Lebensmittel gegeben und konnten jetzt nichts mehr entbehren. Außerdem hatte man ihr erzählt, dass die Indianer das, was sie bekamen, anderen Goldsuchern wiederverkauften, und da Tausende Boote pro Tag vorbeikamen, konnten sie vermutlich gut davon leben.
    Die Frühlingsblumen waren inzwischen Hasenglöckchen und Lupinen gewichen, ein blaues Meer, das sich an den Ufern entlangzog. Hin und wieder sah Beth einen Elch, manchmal zusammen mit einem Kalb, am Fluss trinken oder einen Schwarzbären, der hinter den Bäumen hervorschaute, so als wäre er überrascht, dass so viele Menschen in sein Revier eingedrungen waren. Wildfrüchte – Cranberries, schwarze Johannisbeeren und Himbeeren – reiften zwischen den Felsen und Moosen, und der Duft von wilden Rosen lag in der Luft.
    Es war eine spektakuläre Landschaft, und sie wünschte, sie hätte sich daran erfreuen können. Aber seit Sam in dem Canyon umgekommen war, fühlte es sich an, als wäre die Sonne für immer untergegangen und als würde sie niemals wieder Freude empfinden können.
    Fünf Männer hatten an jenem Tag ihr Leben verloren, und es wären unzählige mehr gewesen, wenn Generalmajor Samuel Steele von den Mounties nicht mit seinen Männern gekommen wäre, um weitere Katastrophen zu verhindern. Abgesehen von den Toten waren Dutzende von Booten zerstört worden; die ganzen Säcke mit Proviant, die sie über den Pass getragen hatten, waren aufgerissen, und die Lebensmittel verdarben jetzt im Wasser, und viele Habseligkeiten waren verloren. Einige Leute waren so verzweifelt, dass sie sich die Haare ausrauften, schluchzten und schrien.
    Steele entschied auf der Stelle, dass keine Boote mehr ohne einen kompetenten Führer durch die Stromschnellen fahren durften und dass alle Frauen den sieben Kilometer langen Weg an den Stromschnellen vorbei zu Fuß gehen mussten.
    Jack hatte kaum ein Wort gesagt, nachdem sie Sam beerdigt hatten. Beth wusste, dass er sich Vorwürfe machte, weil er glaubte, dass er den Unfall hätte verhindern können. Aber Theo und sie wussten, dass das nicht stimmte. Er hatte seine Sache gut gemacht, denn dank ihm waren das Floß und all ihre Sachen heil geblieben. Sam musste leichtsinnig gewesen sein und die Seitenwand losgelassen haben.
    Aber rational über den Vorfall nachzudenken half ihnen nicht in ihrer Trauer. Niemand würde jemals Sams Platz in ihrem Leben einnehmen können, und im Moment wusste Beth nicht, wie sie ohne ihn weiterleben sollte.
    Wenn sie versuchte, nicht an ihren Bruder zu denken, fiel ihr das Baby wieder ein, das sie

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