Echo gluecklicher Tage - Roman
verloren hatte, und sie sehnte sich verzweifelt danach, Molly wiederzusehen. Sie nahm an, dass das nur natürlich war; Molly war jetzt schließlich ihre einzige lebende Verwandte. Sie konnte die vielen Male nicht mehr zählen, wo sie ihr Foto herausgeholt und ihr süßes Gesicht und ihr lockiges Haar betrachtet und daran gedacht hatte, wie sie die Kleine damals in der ersten Zeit gefüttert und gewickelt hatte.
Beth konnte nicht erwarten, dass Jack und Theo ihre Gefühle für Molly verstanden, aber es tröstete sie, dass sie Sam genauso sehr vermissten wie sie. Vielleicht hatte sie mehr Erinnerungen an ihn und war mit ihm blutsverwandt, doch die beiden hatten ihn ebenfalls geliebt. Es schmerzte noch zu sehr, als dass sie über ihre Gefühle oder ihre besten Erinnerungen an ihn hätten sprechen können. Aber vielleicht würde das mit der Zeit möglich sein.
Sie hatten Dawson City jetzt fast erreicht, und der Fluss Yukon war übersät mit einer Masse von Booten. Unter denen, die aus den Bergen kamen und jetzt zu ihnen und den anderen stießen, waren viele Sourdoughs, die »Sauerteiger«, wie sie genannt wurden. Beth hatte gehört, dass der Name von der Angewohnheit der erfahrenen Goldgräber kam, ein kleines Stück Brotteig in einer Tüte in ihrer Hemdtasche aufzubewahren, damit er warm blieb und beim Backen des nächsten Laibs als Hefe benutzt werden konnte. Diese Männer waren grauhaarige alte Goldschürfer, die den ganzen Winter über auf ihren Claims an kleinen Flussläufen festgesessen hatten. Einige von ihnen waren schon seit Jahren in der Gegend und suchten nach Gold.
Die Aufregung, dass sie sich ihrem Ziel näherten, war spürbar. Die Leute riefen sich Grüße zu; sie wollten von ihrer Reise und von ihren Hoffnungen auf die Zukunft erzählen. Aber Beth, Theo und Jack konnten sich nicht dazu bringen, sich an diesen Gesprächen zu beteiligen, denn sie fürchteten, bei der Erwähnung von Sam in Tränen auszubrechen.
Beth hoffte, dass alle ihr Schweigen und ihre ernsten Gesichter auf die schreckliche Hitze und die lästigen Moskitos zurückführten, denn das schien die Leute irrational handeln zu lassen. Die Männer und sie hatten viele heftige Kämpfe und gegenseitige Beschimpfungen beobachtet, meist unter Männern, die bereits so viel friedlich miteinander durchgestanden hatten. Was immer es auslöste, es war schrecklich mit anzusehen, denn sie schienen sich jetzt bis aufs Blut zu hassen und wollten allein weiterziehen. Sie sahen, wie zwei Männer am Ufer ihr Boot und ihren Proviant tatsächlich in zwei Teile zersägten, während sie sich gegenseitig anschrien. Ein anderes Paar stritt sich um eine Bratpfanne, bis jemand vorbeikam und das Problem löste, indem er sie in den Fluss warf, sodass keiner von beiden sie bekam.
Es war ein Wahnsinn, den Beth und die Männer nicht verstehen konnten. Sams Tod hatte ihnen vor Augen geführt, wie sehr sie einander schätzten und wie wenig Lebensmittel und Gegenstände bedeuteten.
Die Sonne ging jetzt gar nicht mehr unter, das Licht wirkte nur gegen Mitternacht etwas gedämpfter, aber um zwei Uhr morgens war es erneut taghell. Sie rasteten am Ufer immer nur lange genug, um Feuer zu machen und sich schnell etwas zu essen zu kochen, dann setzten sie auf dem Floß wieder die Segel, und Theo und Jack wechselten sich mit Schlafen ab. Es war nicht so, dass sie schneller als alle anderen in Dawson sein wollten, denn das war ihnen jetzt nicht mehr wichtig, sondern weil sie sich mit etwas beschäftigen mussten. Ihnen wurde jetzt, zu spät, klar, dass es Sams Enthusiasmus, seine Fröhlichkeit und sein unerschütterlicher Optimismus gewesen waren, die ihre Gespräche in der Vergangenheit in Gang gehalten hatten, und ohne sie gab es irgendwie nichts zu sagen.
Am Morgen des 12. Juni döste Beth im Heck des Floßes, als sie Jack rufen hörte: »Da ist Dawson City! Endlich sind wir da.«
Sie hatten nicht genau gewusst, wo es lag, und waren während der letzten zwei Tage am Ufer geblieben aus Angst, dass es plötzlich auftauchte und sie von der starken Strömung vielleicht einfach vorbeigetrieben wurden. Aber als sie um einen Felsvorsprung bogen, lag die Stadt vor ihnen. Die berühmte Goldstadt.
Beth wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber die Realität mit den vielen Zelten, Blockhütten, den Läden mit den falschen Fronten und den wacklig aufgetürmten Baumstämmen unterschied sich nur wenig von Skagway. Es gab sogar den gleichen zähen schwarzen Schlamm.
Doch dieser Schlamm
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