Echo gluecklicher Tage - Roman
versündigt hatte, dort lag, während seine ehebrecherische Frau auf dem Friedhof ruhen durfte.
In der ersten Februarwoche, nachdem Sam siebzehn und Beth sechzehn geworden war, mussten sie das Klavier verkaufen. Beth hing nicht wirklich daran, denn schließlich blieb ihr ja noch ihre geliebte Geige, aber zu sehen, wie das Piano aus dem Fenster auf die Straße hinuntergehievt wurde, ließ sie über die tragische Ironie der Ereignisse nachdenken.
Für ihre Eltern war das Klavier ein Symbol gewesen, dass es ihnen gelungen war, ihre Kinder in die Mittelklasse zu bringen und ihnen dadurch die Entbehrungen zu ersparen, die sie selbst erleben mussten. Doch weil Sam und Beth so behütet und ohne Mangel aufgewachsen waren und kaum etwas über die harte Realität des Lebens wussten, fehlte ihnen jetzt die Fähigkeit, mit der Armut fertigzuwerden.
Beth konnte Kuchen backen, den Tisch richtig decken, ein Hemd stärken und bügeln, und sie besaß noch ein Dutzend anderer kultivierter Fähigkeiten, doch niemand hatte ihr beigebracht, die Mahlzeiten für die Woche so zu planen, dass sie mit wenig Geld auskam. Sam war vielleicht in der Lage, Kohlen in den Keller zu schaufeln, Schnee im Hof zu schippen und pünktlich zur Arbeit zu gehen, aber er hatte keine Ahnung, wie man ein verstopftes Rohr reinigte oder eine kaputte Gewichtsschnur an den Schiebefenstern reparierte.
Während ihrer gesamten Kindheit hatte in der Stube, im Herd in der Küche und selbst in den Schlafzimmern immer ein Feuer gebrannt, wenn es sehr kalt war. Die Gaslampen wurden in den Zimmern entzündet, wenn es dunkel wurde, es hatte immer Obst in der Schale und Kuchen in der Dose gelegen, und es hatte jeden Tag Fleisch auf dem Tisch gestanden.
Die Kohlen gingen ihnen kurz nach Weihnachten aus, und als sie neue bestellten, waren sie entsetzt über den Preis und konnten nur noch den Herd in der Küche heizen. Das Gas kostete so viel Geld, dass sie kaum noch wagten, die Lampen anzumachen. Obst und Kuchen standen nicht mehr auf ihrem Speiseplan.
Sams Lohn war, lange bevor der Freitag kam, für Essen ausgegeben, und nachdem sie alle Konserven und Vorräte an Zucker und Mehl aufgebraucht hatten, die ihre Mutter so geduldig in der Speisekammer angesammelt hatte, gab es bis zum Zahltag nur noch Brot.
Vielleicht hätte Sam warten sollen, bis sie einen besseren Preis für den geliebten runden Mahagoni-Tisch ihrer Mutter mit den passenden Stühlen bekamen, aber sie brauchten das Geld, um die Kohlen und die Rechnung von Dr. Gillespie zu bezahlen. Es bestand kein Zweifel, dass man sie beim Verkauf der Standuhr betrogen hatte. Aber sie wussten beide nicht, was diese Dinge wirklich wert waren oder dass Antiquitätenhändler Verzweiflung riechen konnten.
Obwohl Beth sich liebevoll um Molly kümmerte, hatte sie nicht geahnt, wie einsam man war, wenn man den ganzen Tag mit einem Baby allein zu Hause saß. Sie schien nie eine Minute für sich selbst zu haben, um zu lesen, Geige zu spielen oder ein Bad zu nehmen. Sam interessierte sich nicht für Mollys Fortschritte, wenn er von der Arbeit kam, und sie hatte nur Mrs Craven zum Reden und machte sich ständig Sorgen um das Geld.
Mitte März sah Sam keine andere Möglichkeit mehr, als Zimmer zu vermieten, damit sie über die Runden kamen.
Einer der älteren Gehilfen aus seinem Büro hatte ihm seinen Cousin Thomas Wiley und dessen Frau Jane vorgeschlagen, die bei ihm und seiner Familie wohnten, seit Thomas aus Manchester nach Liverpool gekommen war, um hier bei der Post zu arbeiten. Das Paar war Mitte dreißig, und Beth konnte Jane vom ersten Moment an nicht leiden. Alles an ihr war scharf – ihre Augen, die im Raum umherwanderten, während sie sprach, ihre Nase und ihre Wangenknochen, und auch ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton.
Sie zeigte kein Interesse an Molly, und sie musterte Beth von oben bis unten, als schätze sie den Wert ihrer Kleidung ab. Als Beth vorschlug, dass sie sich abends beim Kochen abwechseln könnten, erklärte Jane ihr, dass sie nicht koche.
Ihr Mann Thomas war sympathischer, ein jovialer, rotgesichtiger Mann, der sehr dankbar dafür war, dass sie ihnen die Stube und Beths altes Schlafzimmer im obersten Stock über der Küche angeboten hatten, weil sie mit Molly jetzt in dem alten Zimmer ihrer Eltern schlief. Thomas sagte, er habe die Hoffnung schon fast aufgegeben, irgendwo eine anständige Unterkunft zu finden, und dass man in den Zimmern, die er sich angesehen hatte, nicht mal einen Hund hätte
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