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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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wie ein Herbstblatt, so klein und knochig, aber der Griff war ganz fest. »Es tut mir so unendlich leid«, hauchte sie. »Sag, dass du mir vergibst.«
    Instinktiv wusste Beth, dass dies das Ende sein musste. Was immer ihre Mutter getan, wen immer sie verletzt hatte, sie konnte sie nicht ohne ein freundliches Wort sterben lassen. »Ja, ich vergebe dir, Mama«, sagte sie.
    »Dann kann ich gehen?«, fragte Alice flüsternd.
    Der Griff um Beths Handgelenk lockerte sich, und die Hand ihrer Mutter fiel auf die Bettdecke. Beth stand eine Weile da und sah sie an, bevor ihr klar wurde, dass sie nicht mehr atmete.

5
    »Wir werden die billigste Beerdigung nehmen«, beharrte Sam stur. »Ihretwegen kann Vater nicht in heiliger Erde ruhen, und niemand ist zur Beerdigung gekommen und hat gesagt, was für ein guter Mann er war. Warum soll es ihr besser gehen?«
    »Wir können ihr kein Armenbegräbnis geben«, erwiderte Beth müde, denn sie waren das schon mehrmals durchgegangen, seit er zum Abendbrot nach Hause gekommen war, und jetzt war es schon fast elf Uhr. »Was würden die Leute von uns denken?«
    »Warum sollten wir uns darum scheren?«, erwiderte er aufbrausend. »Abgesehen von den Cravens reden seit Papas Tod sowieso alle schlecht über uns. Lass sie es doch weiter tun.«
    Beth fing an zu weinen, weil sie diese hartherzige Person nicht kannte, die den Platz ihres Bruders eingenommen hatte. Ihre Mutter war noch keine vierundzwanzig Stunden tot, ihre Leiche lag noch immer im Bett, und doch war Sam heute Morgen zur Arbeit gegangen, als wäre nichts passiert. Sie verstand natürlich, dass er Angst hatte, seinen Job zu verlieren, wenn er nicht ging, aber er hätte ihr das erklären können, nur ein paar freundliche Worte, um sie wissen zu lassen, dass er nicht auch noch auf sie wütend war.
    »Weine nicht, Beth«, sagte er, und sein Blick wurde weicher. »Ich will nicht grausam sein, aber wir sind in einer verzweifelten Lage. Wir können kein Geld für ihre Beerdigung ausgeben, das wir nicht haben. Und das Baby muss auch weg!«
    Beth stellte sich schützend vor Mollys Wiege. »Sag das nicht, Sam. Sie ist unsere Schwester, und ich lasse sie nicht im Stich. Du kannst das Klavier oder alles andere verkaufen, um an Geld zu kommen, wir können ein Zimmer untervermieten oder in eine billigere Wohnung ziehen, aber Molly bleibt bei uns.«
    »Ich kann ihren Anblick nicht ertragen«, sagte er, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Sie erinnert mich ständig daran, wozu Mama Papa getrieben hat.«
    »Wenn Mama nicht so ehrlich und so mutig gewesen wäre, uns die Wahrheit zu gestehen, dann wüssten wir es jetzt gar nicht«, widersprach Beth. »Außerdem würde Papa sich im Grabe umdrehen, wenn wir uns von einem hilflosen Baby abwenden, selbst wenn es nicht sein eigenes war. Also musst du die Menschlichkeit aufbringen zu akzeptieren, dass wir Molly nicht im Stich lassen dürfen.«
    Sam sah sie nur nachdenklich an.
    Es dauerte eine Weile, bevor er wieder sprach. »So gesehen muss ich dir zustimmen, schätze ich.« Er seufzte. »Aber erwarte nicht, dass ich etwas für sie empfinde. Und mach mir keine Vorwürfe, wenn du feststellst, was es bedeutet, arm zu sein.«
    Es reichte Beth, dass Sam nachgegeben hatte. »Dann mache ich auch einen Kompromiss und organisiere die billigste Beerdigung. Aber du darfst mir auch keine Vorwürfe machen, wenn du später feststellst, dass du dich deswegen schämst.«
    Weihnachten war trostlos; sie hatten weder das Geld noch die Lust, das Fest auf feierliche Weise zu begehen. Sie ließen Molly nur so lange bei Mrs Craven, um in die Kirche zu gehen, aber das tröstete sie nicht, denn es erinnerte sie an die fröhlichen Weihnachtsfeste der Vergangenheit. Ein paar Leute kamen zu ihnen und sprachen ihnen ihr Beileid aus, aber in ihren Worten schwang statt Ehrlichkeit nur Neugier mit.
    Die Beerdigung fand zwei Tage später statt, und Mrs Cravens älteste Tochter passte auf Molly auf. Heftiger Regen hatte den Schnee schmelzen lassen, aber ein eisiger Wind wehte über den Friedhof und ließ sie furchtbar frieren, während sie den billigen Sarg in die Erde hinunterließen. Abgesehen von Sam und Beth gab es nur noch drei andere Trauergäste: die Cravens und Dr. Gillespie. Als Vater Reilly die abschließenden Worte der Trauerrede sprach, blickte Beth hinüber zu der Stelle, wo ihr Vater außerhalb des Friedhofs beerdigt war. Sie dachte daran, wie ungerecht es war, dass ein Mann, der sich niemals gegen irgendjemanden

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