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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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herunterbekam.
    Vielleicht lag es nur am Whiskey, aber an diesem Abend fühlte Beth sich wie ein Schmetterling, der sich aus seinem Kokon befreit hatte. Allein die Anzahl der jungen Männer, die mit ihr tanzen wollten, bewies, dass sie attraktiv war; sie blickte aufgeregt und optimistisch auf das Abenteuer, das sie am Morgen erwartete. Obwohl sie wusste, dass sie Molly in den kommenden Wochen schrecklich vermissen würde, wurde ihr plötzlich klar, dass es ihr nicht leidtat, England verlassen zu haben.
    »Hol deine Geige raus und spiel, Beth«, drängte Sam sie.
    Sie versuchte sich zu weigern, weil sie noch nie öffentlich gespielt hatte und befürchtete, dass sie nicht so gut war wie der alte Mann. Aber Sam ließ nicht locker, und bald forderten sie auch alle anderen Leute um sie herum auf zu spielen.
    Beth hatte immer nach Gehör gespielt, obwohl sie durch das Klavierspielen Noten lesen konnte, und so hörte sie sich ein paar Takte der Melodie an, die der alte Mann angestimmt hatte, als sie mit ihrem Instrument zurückkam, und als sie glaubte, sie ebenfalls zu können, stimmte sie in das Stück mit ein.
    Es war viel schneller, als sie es gewohnt war, doch es fühlte sich richtig an, es war die Art, wie man eine Geige spielen sollte. Ihre Finger bewegten sich rasend schnell über die Saiten, und ihr Bogen ließ die Geige singen. Sie bewegte ihren ganzen Körper im Rhythmus, schloss die Augen und ging ganz in der Musik auf.
    Sie spürte die Begeisterung ihres Publikums eher, als dass sie sie sah: Das Stampfen der Füße wurde lauter, und die Tänzer stießen Freudenschreie aus. Auf einmal wusste sie, dass sie genau dafür gemacht war: um schnelle, fröhliche Musik zu spielen, die sie und die um sie herum an einen besseren Ort brachte. Sie vergaß, dass sie sich auf einem Schiff umgeben von schmutzigen, blassen Leuten befand, und fühlte sich, als würde sie barfuß im hellen Sonnenschein über eine Wiese voller Butterblumen tanzen.
    Als die Melodie endete, öffnete sie die Augen wieder und sah, dass sie alle mit an diesen Ort genommen hatte. Ihre Augen strahlten, sie grinsten breit, und Schweiß bedeckte ihre Gesichter.
    »Du kleine Zigeunerin!«, rief ein Mann in der Menge. »Das war mit Sicherheit die beste Geigenmusik, die ich außerhalb von Dublin gehört habe!«
    Beth spielte noch ein paar Mal, bevor sie die Geige weglegte und mittanzte. Es ging noch wilder zu als am ersten Abend, die Musik war lauter, und während sie in einer schnellen Polka herumgewirbelt wurde, lachte sie vor purer Lebensfreude.
    Sam kam immer wieder an ihr vorbei, jedes Mal mit einem anderen Mädchen im Arm. Sein breites, zufriedenes Lächeln sagte ihr, dass er sich über ihre Ausgelassenheit freute, und das hob ihre Stimmung noch weiter. Ihr wurde klar, dass er vermutlich nicht sicher gewesen war, ob sie ihre brave Art jemals ablegen würde, und vielleicht hatte er sogar befürchtet, dass sie eine Belastung für ihn sein könnte.
    Da schwor sie sich, ihm zu beweisen, dass sie das Leben genauso bewältigen konnte wie ein Mann, und sich mit ganzem Herzen in das große Abenteuer zu stürzen.
    Ein paar Stunden später floh Beth vor dem Pfeifen- und Zigarettenqualm und der Anzahl der schwitzenden Körper an Deck, um frische Luft zu schnappen.
    Während sie die Treppe hinaufging, wurde ihr zu ihrer Bestürzung klar, dass sie ein bisschen beschwipst war, denn sie hatte Schwierigkeiten, ihre Bewegungen zu koordinieren. Als sie fast nach hinten gefallen wäre, spürte sie zwei Hände, die sich um ihre Hüften legten und sie festhielten.
    Es war Jack.
    »Ganz ruhig, Mädchen«, sagte er. »Wenn du wirklich unbedingt an Deck willst, dann begleite ich dich lieber.«
    Als sie schließlich oben standen, fühlte sich die kalte frische Luft wunderbar an. Es hatte aufgehört zu regnen, der Himmel war klar und voller Sterne, und silbernes Licht schimmerte auf dem Meer.
    »Das ist besser«, seufzte sie und holte tief Luft. »Wie schön das alles aussieht.«
    »Das tut es«, stimmte Jack ihr zu. »Die See sieht aus wie schwarzer Satin, und sieh dir den Mond an!«
    Es war nur eine Sichel, aber sie wirkte viel näher und heller, als Beth es jemals in Liverpool gesehen hatte. Sie setzten sich auf eine Backskiste und blieben dort für eine Weile in kameradschaftlichem Schweigen sitzen. Eine Kapelle spielte im Salon der ersten Klasse, und jetzt, wo sie den Hudson River hinauffuhren, war es viel wärmer als auf See, so viel wärmer, dass mehrere andere Paare

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