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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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eine Unterkunft zu finden, wenn es erst dunkel ist.«
    Um vier Uhr nachmittags wurde Beth sehr nervös, denn die Schlange von Leuten, die von der Einwanderungsbehörde befragt werden sollte, schien sich überhaupt nicht zu bewegen. Es war fast zwölf gewesen, als die Fähre sie zu der Insel und dem riesigen Gebäude aus Kiefernholz gebracht hatte, in dem sie »bearbeitet« werden sollten. Sie hatte von einem Matrosen auf der Fähre gehört, dass dieses Gebäude erst 1892 eröffnet worden war, aber es war überfüllt mit Tausenden von Leuten mit ungewaschenen Körpern, und wegen der schlechten Belüftung, ihres vor Hunger knurrenden Magens und ihrer vom langen Stehen schmerzenden Beinen fühlte Beth sich darin wie in einer Folterkammer aus alter Zeit.
    Es war auch so laut – Tausende von Stimmen redeten gleichzeitig, und viele davon in fremden Sprachen. Und man konnte die unterschwellige Angst spüren, die hier herrschte, weshalb vielleicht so viele kleine Kinder weinten. Durch die Reihen verbreitete sich die Nachricht, dass man sie nicht nur befragen, sondern auch medizinisch untersuchen würde, und obwohl das Beth und Sam keine Sorgen bereitete, war es offensichtlich, dass viele dies fürchteten.
    »Belastung für die öffentliche Hand« war ein Ausdruck, den Beth immer wieder von den Leuten hörte. Sie nahm an, dass die Beamten jedem den Zugang verwehrten, der vielleicht eine werden könnte. Sie sah ein runzliges altes Paar, das aussah, als könne es sich kaum noch auf den Beinen halten, und hoffte, die beiden konnten beweisen, dass sie eine Familie hatten, die sich um sie kümmern würde. Es gab ganze Familien, die so schrecklich arm wirkten, dass man ihnen mit Misstrauen begegnen würde, und was sollte aus denen werden, die dünn und blass aussahen und viel husteten? Litten sie vielleicht an Tuberkulose?
    Als Beth endlich dem Arzt vorgeführt wurde, war sie ganz schwach vor Hunger und Durst, aber der Arzt musterte sie nur von oben bis unten und winkte sie weiter. Die Fragen waren sehr einfach: Wie viel Geld sie dabeihabe, was für eine Arbeit sie sich suchen wolle und noch ein paar andere, die offensichtlich darauf abzielten, herauszufinden, ob sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war.
    Nachdem sie so lange auf das Interview gewartet hatte, kam es ihr absurd kurz vor, fast enttäuschend. Sie wurde weitergewunken, gefolgt von Sam, und plötzlich realisierte sie, dass alles vorbei war. Sie waren anerkannt worden und konnten jetzt mit der Fähre in die Stadt fahren.
    Die Stunden auf Ellis Island waren schrecklich, frustrierend und ermüdend gewesen, und sie hatten erwartet, dass alles gut werden würde, wenn sie das erst hinter sich hatten. Aber als sie die Gangway von der Fähre hinunter auf den Anleger in New York gingen, bekam Beth furchtbare Angst.
    Es war jetzt nach acht Uhr abends, es war dunkel und kalt, und es fühlte sich an, als wären sie kopfüber in einen Strudel geraten: Tausende von verwirrten, mit Gepäck beladenen Menschen und um sie herum die Schakale, die entschlossen waren, sie um einen Teil ihres Geldes zu bringen.
    Einschüchternde vierschrötige Männer mit karierten Anzügen und Homburg-Hüten bahnten sich ihren Weg durch die Menge und boten den Leuten an, ihr Geld in Dollar umzutauschen und ihnen ein Hotelzimmer oder ein Bus- oder Bahnticket zu besorgen. Es gab zerlumpte, barfüßige Straßenkinder, die an ihren Kleidern zogen und um Geld bettelten oder anboten, ihre Taschen zu tragen, und eine riesige schwarze Frau mit einem Turban auf dem Kopf, die versuchte, sie in ein Restaurant zu lotsen, um dort etwas zu essen. Ein korpulenter Mann mit Gehrock und Zylinder stellte sich ihnen in den Weg und erklärte, dass er ihnen für ein kleines Entgelt eine »elegante Wohnung« besorgen könne.
    Beth wäre vielleicht versucht gewesen, einem von ihnen zu vertrauen, denn sie war hungrig, und sie fror, wollte sich mehr als alles andere auf der Welt hinsetzen und eine Tasse Tee trinken, aber Sam, der ihr Gepäck trug, zog sie weiter. Er drängte all die Hausierer beiseite und warnte sie, gut auf ihre Geige aufzupassen.
    »Annabels Vater hat mir von einem Hotel erzählt, zu dem wir gehen sollen«, sagte er. »Wir verschwinden hier und suchen uns etwas zu essen, dann nehmen wir uns eine Droschke zum Hotel.«
    »Was ist mit Jack?«, fragte sie, denn sie hatte sich umgewandt und gesehen, dass er versuchte, zu ihnen aufzuschließen.
    »Jack kommt allein zurecht«, erklärte Sam scharf.

12
    »Ich

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