Echo gluecklicher Tage - Roman
Wort. Sie war nie sehr gesprächig gewesen, hatte nur hin und wieder ein bisschen über die Nachbarn geklatscht, aber sie war immer eine gute Zuhörerin gewesen und hatte kleine Veränderungen an ihnen sofort bemerkt, hatte sich nach ihrem Befinden erkundigt, wenn sie krank wirkten oder traurig. Jetzt fiel es ihr nicht auf, wenn sie müde oder erkältet waren; sie machte nicht einmal eine Bemerkung über das Wetter. Wenn sie sich erkundigten, wie ihr Tag gewesen war, dann antwortete sie mit einem Satz: »Ich habe die Wäsche gewaschen«, oder: »Ich habe die Betten bezogen.« Beth kochte innerlich vor Wut und wollte sie anschreien, dass sie noch Sam und sie habe und das Heim, das sie liebe, während die Welt ihrer Kinder völlig auf den Kopf gestellt worden sei. Sam saß zehn Stunden am Tag an seinem Schreibtisch und musste nach der Pfeife von Männern tanzen, die ihn wie Dreck unter ihren Schuhen behandelten. Er konnte nicht mehr ein oder zwei Stunden runter zu den Docks gehen wie sonst; jeder Penny, den er verdiente, wurde gebraucht.
Beth mochte sich gewünscht haben, in einem Laden zu arbeiten, aber sie stellte bald fest, dass Hooley’s Strumpfwarenladen ganz anders war, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie und die anderen Verkäuferinnen wurden jeden Morgen begutachtet, ob ihre Fingernägel sauber waren und ihre Schuhe poliert, und ein paar lose Haarsträhnen waren bereits ein schweres Vergehen. Die Kunden waren oft unhöflich, aber sie musste immer lächeln und sie wie Könige behandeln. Sie musste erst um Erlaubnis fragen, bevor sie auf die Toilette gehen durfte, und wenn man sich nur mit einer anderen Verkäuferin unterhielt, konnte man dafür schon gefeuert werden. Ständig stand sie unter Beobachtung, und den ganzen Tag auf den Beinen zu sein erschöpfte sie sehr. Ihre Mutter ging fast nie aus, deshalb sah sie die verächtlichen Blicke der Leute nicht oder hörte ihre gemeinen Bemerkungen. Sam und Beth lebten jeden Tag damit.
Aber alle Sorge, alle Verbitterung und aller Ärger der vergangenen Monate waren heute auf einen Schlag von einem sehr viel ernsteren Problem verdrängt worden.
Heute war der Wochentag, an dem der Laden früher schloss, und Beth kam kurz nach eins nach Hause. Sie wollte etwas essen und dann versuchen, ihre Mutter zu einem Spaziergang in der Sonne zu überreden.
Die Leute, die jetzt den Laden führten, wollten auch Schuhe verkaufen, und in den vergangenen Wochen hatte ein Tischler Regale und eine Theke eingebaut. Als Beth durch die Hintertür kam, arbeitete ein Maler im Laden, und die Tür stand weit auf. Er entschuldigte sich für den Farbengeruch und sagte, er hoffe, dass ihrer Mutter nicht schlecht davon geworden war, weil er gehört habe, wie sie sich auf dem Plumpsklo übergeben habe.
Beth war natürlich alarmiert die Treppe hinauf zu ihrer Mutter gerannt. Aber die leugnete, dass etwas mit ihr nicht stimmte, und behauptete, der Maler hätte sich verhört.
Die ganze Wohnung roch nach Farbe, doch ihre Mutter hatte sich trotzdem geweigert, mit Beth spazieren zu gehen. Deshalb hatte sie eine Scheibe Brot mit Käse gegessen und war allein gegangen.
Inzwischen benutzten sie alle nur noch die Hintertür, aber als Beth die Church Street wieder hinaufkam, stand die Ladentür weit auf, also schlüpfte sie hinein, um nicht außen herumlaufen zu müssen. Es war ungefähr halb drei, und sie blieb in dem kleinen Flur an der Treppe stehen, die zu ihrer Wohnung führte, weil sie durch die offene Hintertür sehen konnte, dass ihre Mutter im Hof die Wäsche von der Leine nahm.
Sie streckte sich nach oben, um eines von Sams Hemden zu erreichen, und Beth war schockiert, als sie sah, wie dick der Bauch ihrer Mutter geworden war.
Ihre Mutter war klein, und sie war immer sehr schlank gewesen, so schlank, dass ihr Vater ihre Taille mit den Händen umfassen konnte. Vor drei Monaten, als Beth ihr Trauerkleid abgesteckt hatte, war das immer noch so gewesen. Aber jetzt nicht mehr. Sie trug eine Schürze über ihrem schwarzen Kleid, aber die Schürze saß viel weiter oben, als sie sollte, und ihr dicker Bauch war deutlich zu erkennen.
Beth war so entsetzt, dass sie beinahe aufgeschrien und ihre Mutter auf sich aufmerksam gemacht hätte. Alice war nämlich nicht insgesamt dick geworden; ihr Gesicht war im Gegenteil viel schmaler, seit sie Witwe war. Beth wusste genau, was dicke Bäuche bedeuteten, selbst wenn behütet aufgewachsene junge Damen solche Dinge eigentlich nicht wissen durften.
Das war
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