Echo gluecklicher Tage - Roman
schneien, und als Beth am Freitagabend nach Hause kam, machte Mrs Craven in der Küche gerade einen großen Topf mit Wasser auf dem Herd heiß.
»Die Wehen haben gegen Mittag eingesetzt«, erklärte sie. »Zum Glück bin ich auf dem Weg vom Markt vorbeigekommen. Ich möchte, dass du Dr. Gillespie holst, damit er nach ihr sehen kann.«
Beth war sofort beunruhigt, doch Mrs Craven umarmte sie beschwichtigend. »Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme«, erklärte sie.
Es war das erste Mal, dass Beth den Doktor seit jenem Abend sah, an dem ihr Vater sich erhängt hatte, und sie war sehr verlegen, als sie ihm sagte, warum sie ihn jetzt brauche.
»Ein Baby!«, rief er, und auf seinem runden Gesicht erschien ein breites Lächeln. »Was für eine Überraschung! Und wie geht es dir und deinem Bruder? Es muss in den vergangenen Monaten schwer für euch gewesen sein.«
»Wir kommen zurecht, Doktor«, sagte Beth. Sein freundliches Lächeln nahm ihr etwas von der Anspannung, und sein Interesse an Sam und ihr war tröstlich. »Natürlich war das Baby zuerst ein Schock für uns alle. Aber Mrs Craven sagt, sie möchte, dass Sie nach ihr sehen, als Vorsichtsmaßnahme.«
Es war jedoch keine Vorsichtsmaßnahme, wie Beth später klar wurde, als sie an der Schlafzimmertür stand und hörte, wie der Arzt zu Mrs Craven sagte: »Sie ist eine sehr zierliche Frau, und das Baby ist sehr groß. Mrs Bolton ist außerdem nicht mehr die Jüngste und auch nicht sehr stark. Ich überlasse sie jetzt Ihren erfahrenen Händen, Mrs Craven, aber zögern Sie nicht, mich später noch mal zu rufen, wenn Ihnen etwas Sorgen macht.«
Beths Herz schlug wie wild vor Angst, und während der Abend voranschritt und sie ihre Mutter vor Schmerzen schreien hörte, wurde Entsetzen daraus. Dass Sam noch nicht zurück war, machte es nicht besser. Es gab nur Mrs Craven, und die erlaubte Beth nicht, das Schlafzimmer zu betreten. »Ich rufe dich, wenn ich Hilfe brauche oder wenn du den Doktor noch mal holen sollst«, erklärte sie fest. »Babys brauchen manchmal eine Ewigkeit, aber mach dir wegen des Schreiens keine Sorgen – die meisten Frauen tun das, es bedeutet nichts.«
Sam kam kurz nach zehn, und Mrs Craven schickte ihn sofort wieder los, um den Arzt noch einmal zu holen. Sie wollte ihnen zwar nicht sagen, wofür sie ihn brauchte, aber Beth konnte die Sorge auf ihrem breiten Gesicht sehen.
Dr. Gillespie kam mit Sam zurück und verschwand erneut für einige Zeit im Schlafzimmer.
Gegen zwölf kam Gillespie in die Küche zurück und bat um eine Schüssel mit heißem Wasser, um sich die Hände zu waschen. Er hatte sein Jackett bereits ausgezogen und sich die Ärmel aufgerollt, und als er sich die Hände und die Unterarme wusch, blickte er über die Schulter zu Sam und Beth.
»Ich muss das Baby schnell holen«, sagte er. »Bitte sucht noch mehr saubere Laken und Handtücher heraus. Ich kann sehen, dass ihr beiden Angst habt, aber macht euch keine Sorgen – eure Mutter kommt durch.«
Beth lief los, um die Laken zu holen, und der Doktor kehrte damit ins Schlafzimmer zurück und schloss die Tür hinter sich.
Es war jetzt sehr ruhig. Draußen fiel immer noch Schnee, der den Lärm der nächtlichen Kutschen dämpfte. Die einzigen Geräusche waren ein gelegentliches Husten oder eine unverständliche Anweisung des Doktors an Mrs Craven und das Knacken und Springen der Kohlen im Ofen.
Sam und Beth sagten nichts. Sie saßen sich nur am Küchentisch gegenüber, bleich und angespannt, beide mit ihren Ängsten beschäftigt.
Plötzlich gab es ein Geräusch – ein Rascheln, Schritte und dann die leise Stimme des Arztes. »Meine Güte, was für ’n großes Mädchen«, hörten sie Mrs Craven ausrufen, und einen Augenblick später hörten sie das Baby schreien.
»Gott sei Dank«, rief Sam und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
Kurz danach kam Mrs Craven mit einem in eine Decke gewickelten Baby auf dem Arm aus dem Schlafzimmer. Sie sah erschöpft aus, aber sie lächelte. »Das ist eure kleine Schwester. Ein richtiger kleiner Wonneproppen«, sagte sie stolz.
Für Beth dämpfte der Anblick von Mrs Cravens blutverschmierter Schürze jede Freude und jedes Staunen, die sie beim Anblick ihrer kleinen Schwester vielleicht empfunden hätte. »Mama – geht es ihr gut?«, fragte sie.
»Bald, der Doktor näht sie gerade«, erwiderte Mrs Craven. »Aber du kannst helfen, indem du dich um die Kleine kümmerst«, sagte sie und gab Beth das Bündel. »Leg sie in die
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