Echo Park
Archiv fünfzehn Minuten lang warten, bis er an die Reihe kam. Nachdem die Sachbearbeiterin die Daten, die Bosch ihr gab, in den Computer eingetippt hatte, teilte sie ihm mit, es gebe tatsächlich ein Jugendstrafregister für Robert Foxworth, geboren am 3.11.71, aber um es einzusehen, bräuchte er eine richterliche Anordnung.
Bosch lächelte nur. Der Umstand, dass tatsächlich eine Akte existierte, versetzte ihn in solche Aufregung, dass er sich kaum über die neuerliche Erschwernis ärgerte. Er bedankte sich bei der Frau und sagte, er käme mit einem Durchsuchungsbefehl wieder.
Bosch trat hinaus in den Sonnenschein. Er musste jetzt eine Entscheidung treffen. Abel Pratt am Telefon etwas vorzuflunkern war eine Sache. Wenn er allerdings ohne Genehmigung seiner eigenen Behörde – in Form eines Okay seines Vorgesetzten – eine richterliche Anordnung zur Einsichtnahme in die DCFS-Unterlagen beantragte, ginge er eindeutig einen Schritt zu weit. Damit stellte er auf eigene Faust Ermittlungen an und machte sich eines Verstoßes schuldig, der seine Entlassung nach sich ziehen konnte.
Er konnte mit dem, was er hatte, zu Randolph von der OIS oder zur Fugitive Task Force, der Fahndungsabteilung, gehen, damit sie sich um alles Weitere kümmerten, oder er konnte den verbotenen Weg einschlagen und das damit verbundene Risiko auf sich nehmen. Noch nie hatte sich Bosch seit seiner Rückkehr in den Polizeidienst durch die Dienstvorschriften so stark eingeengt gefühlt. Er hatte bereits einmal alles hingeworfen und wusste, er könnte es im Notfall wieder tun. Beim zweiten Mal fiele es ihm sogar leichter. Er wollte zwar nicht, dass es so weit käme, aber wenn es sich nicht anders machen ließe, wäre er dazu durchaus imstande.
Er zog sein Handy heraus und machte den einen Anruf, der es ihm möglicherweise ersparen würde, zwischen zwei gleichermaßen unbefriedigenden Alternativen wählen zu müssen. Rachel Walling meldete sich nach dem zweiten Läuten auf ihrem Handy.
»Und was tut sich so bei Taktik?«, fragte er.
»Oh, bei uns tut sich immer was. Wie ging’s bei dir? Hast du schon gehört, dass Waits gestern Abend eine Frau entführt hat?«
Sie hatte, besonders wenn sie aufgeregt war, die Angewohnheit, mehr als eine Frage auf einmal zu stellen. Bosch bejahte, dass er von der Entführung gehört hatte, und berichtete ihr dann von seinen morgendlichen Aktivitäten.
»Und was willst du jetzt tun?«
»Ich bin am Überlegen, ob das FBI vielleicht Interesse hat, sich in den Fall einzuschalten.«
»Und was macht den Fall plötzlich auch für das FBI interessant?«
»Ach, weißt du, Bestechung von Staatsbeamten, Verstöße gegen das Parteispendengesetz, Entführung – das Übliche eben.«
Sie blieb ernst.
»Ich weiß nicht, Harry. Wenn du diese Tür öffnest, kann kein Mensch sagen, was dahinter lauert.«
»Aber ich habe einen Insider. Jemand, der auf mich aufpasst und seine schützende Hand über den Fall hält.«
»Mach dir da mal keine Illusionen. Wahrscheinlich würden sie mich von der Sache fernhalten, so weit es nur geht. Es ist nicht meine Gruppe, und dann wäre da auch noch der Interessenkonflikt.«
»Was für ein Interessenkonflikt? Wir haben auch zuvor schon zusammengearbeitet.«
»Ich sage dir nur, wie es wahrscheinlich aufgenommen würde.«
»Hör zu, ich brauche eine richterliche Anordnung. Wenn ich mir in meiner augenblicklichen Situation eine zu beschaffen versuche, schmeißen sie mich möglicherweise raus. Für Pratt wäre es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, da bin ich mir ganz sicher. Wenn ich allerdings sagen kann, dass ich zu einem FBI-Verfahren hinzugezogen wurde, wäre das eine hinreichende Erklärung. Dann könnten sie mir nichts anhaben. Alles, was ich will, ist, mir Foxworth’ DCFS-Akte anzusehen. Ich glaube, sie ist der Schlüssel dazu, was es mit Echo Park auf sich hat.«
Sie schwieg eine Weile, bevor sie antwortete.
»Wo bist du gerade?«
»Noch beim DCFS.«
»Kauf dir einen Doughnut oder was. Ich komme, so schnell es irgend geht.«
»Bist du dir da auch wirklich sicher?«
»Nein, aber ich tu’s trotzdem.«
Sie beendete das Gespräch. Bosch klappte sein Handy zu und blickte sich um. Statt sich einen Doughnut zu kaufen, ging er zu einem Zeitungskasten und holte sich die Morgenausgabe der Times. Er setzte sich auf den Pflanzkasten, der entlang der gesamten Vorderseite des DCFS-Gebäudes verlief, und blätterte die Zeitung nach Meldungen über die Raynard-Waits- und
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