Echo Park
in flehentlichen Fernsehappellen immer noch um eine wohlbehaltene Rückkehr ihrer Tochter baten. Das war auch der Grund, weshalb der Fall nicht mehr als bloße Vermisstenmeldung behandelt wurde, sondern dem Morddezernat der Hollywood Division übertragen worden war.
Es waren ihre Kleider, die Bosch so nahegingen. Der Ordnungssinn, mit dem sie zusammengelegt worden waren. Hatte sie das getan? Oder war es die Person gewesen, die sie auf dem Gewissen hatte? Es waren immer die kleinen Fragen, die ihm nahegingen und die Leere in seinem Innern mit Grauen füllten.
Nachdem er auch das übrige Wageninnere durch die Fenster inspiziert hatte, schob sich Bosch vorsichtig wieder nach draußen.
»Und?«, fragte Edgar.
»Ihre Kleider. Die Reitsachen. Vielleicht ein paar Lebensmittel, die sie vorher noch eingekauft hat. Unten in Beachwood gibt es doch einen Mayfair. Sie könnte auf dem Weg hinauf zum Reitstall dort vorbeigefahren sein.«
Edgar nickte. Eine neue Spur, der sie nachgehen konnten, ein Ort, an dem sie vielleicht Zeugen fanden.
Bosch trat unter dem hochgeklappten Schwingtor der Garage hervor und blickte zu den High Tower Apartments hinauf. Die Anlage suchte in Hollywood ihresgleichen. Ein Komplex von Wohnungen, die in den ausgehöhlten Granit der Hügel hinter der Hollywood Bowl gebaut waren. Sie waren alle im Streamline-Moderne-Stil gestaltet und miteinander durch das schlanke Mittelelement verbunden, in dem sich der Lift befand – ein hohes, turmartiges Gebilde, von dem die Straße und die Anlage den Namen High Tower hatten. In seiner Jugend hatte Bosch eine Weile in dieser Gegend gewohnt. An Sommertagen hatte er von seinem Zuhause im nahen Camrose Drive die Orchester in der Hollywood Bowl proben hören. Und vom Dach aus hatte er am vierten Juli und am Ende der Baseballsaison das Feuerwerk betrachten können.
Nachts waren die hell erleuchteten Fenster des High Tower zu sehen gewesen, und wie der Aufzug nach oben schwebte, wenn er einen Bewohner zu seinem Apartment brachte. Als Kind war es ihm als der Inbegriff von Luxus erschienen, in einem Haus zu wohnen, in dem man im Lift zu seiner Wohnung gelangte.
»Wo ist der Hausverwalter?«, fragte er den Polizisten mit den zwei Streifen am Ärmel.
»Er ist wieder raufgefahren. Er hat gesagt, Sie sollen den Aufzug bis ganz nach oben nehmen. Seine Wohnung liegt gleich auf der anderen Seite des Gangs.«
»Gut, dann fahren wir mal hoch. Sie bleiben hier und warten auf die Spurensicherung und den Abschleppdienst. Und sorgen Sie dafür, dass die Abschleppfahrer das Auto nicht anrühren, bevor die Spurentechnik es sich angesehen hat.«
»Alles klar.«
Die Aufzugkabine des Turms bestand aus einem kleinen stählernen Kubus, der unter ihrem Gewicht nachgab, als Bosch und Edgar einstiegen. Danach schloss sich die Außentür automatisch, aber die innere Sicherheitstür mussten sie von Hand zuschieben. Es gab nur zwei Knöpfe, 1 und 2. Bosch drückte auf die 2, und die Kabine begann nach oben zu schweben. Sie bot nicht viel Platz, und sobald sich mehr als zwei Personen darin aufhielten, könnte jeder den Atem der anderen riechen.
»Weißt du was?«, bemerkte Edgar. »Ein Klavier hat hier jedenfalls niemand, so viel steht fest.«
»Brillant kombiniert, Watson«, sagte Bosch.
In der obersten Etage zogen sie die Türen auf und traten auf einen Betonsteg hinaus, der zwischen dem Turm und den einzelnen in den Hang hineingebauten Wohnungen schwebte. Bosch drehte sich einmal um die eigene Achse und genoss die Aussicht auf fast ganz Hollywood, garniert von einem Hauch frischer Bergluft. Als er nach oben blickte, sah er einen Rotschwanzbussard über dem Turm kreisen, als beobachtete er sie.
»Da lang«, sagte Edgar.
Bosch wandte sich seinem Partner zu, der auf eine kleine Treppe deutete, die zu einer der Wohnungstüren führte. Auf dem Schild unter der Klingel stand HAUS-VERWALTER. Schon bevor sie die Tür erreichten, öffnete sie sich, und ein dünner Mann mit einem weißen Bart trat heraus. Er stellte sich als Milano Kay vor, der Verwalter der Wohnanlage. Nachdem sie ihm ihre Dienstmarken gezeigt hatten, fragten Bosch und Edgar, ob sie das leer stehende Apartment sehen könnten, zu dem die Garage mit dem Honda gehörte. Kay forderte sie auf, ihm zu folgen.
Sie gingen zum Turm zurück und nahmen einen anderen Steg. An der Wohnungstür, zu der er sie führte, nahm Kay einen Schlüssel heraus und steckte ihn ins Schloss.
»Irgendwie kommt mir die ganze Anlage hier bekannt vor«,
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