Echo Park
die polizeilichen Ermittlungsakten zum Verschwinden von Marie Gesto im September 1993 hinzuzuziehen. Aus diesen Unterlagen wird hervorgehen, dass zwar Ms. Gestos Verbleib nie ermittelt wurde, ihr Auto aber von der Polizei in einer Garage einer Wohnanlage in Hollywood entdeckt wurde, die unter dem Namen High Tower bekannt ist. In dem Auto befanden sich Ms. Gestos Kleidung und Reitausrüstung sowie eine Einkaufstüte mit einem Pfund abgepack ter Karotten. Ms. Gesto beabsichtigte, mit den Karotten die Pferde zu füttern, die sie im Sunset-Ranch-Reitstall im Beachwood Canyon versorgte, um dort kostenlos reiten zu können. Auch diese Information wurde nie öffentlich bekannt gegeben.
Ich würde vorschlagen, dass für den Fall, dass eine Übereinkunft zustande kommt, diese insofern nicht unter das kalifornische Verbot außergerichtlicher Einigungen bei Kapitalverbrechen fällt, als es ohne Mr. Waits’ Kooperation nicht genügend Beweise und Zeugen gäbe, diese neun Morde vor Gericht zu bringen. Darüber hinaus liegt die Aussetzung der Todesstrafe seitens des Volkes ganz im Ermessen des Gerichts und stellt keine substanzielle Änderung des Urteils dar. (Kalifornisches Strafgesetzbuch § 1192.7a.)
Bitte setzen Sie sich baldmöglichst mit mir in Verbindung, wenn Ihnen obige Vorgehensweise annehmbar erscheint.
Mit freundlichen Grüßen
Maurice Swann, PA
101 Broadway
Suite 2
Los Angeles, CA 90013
Bosch merkte, dass er fast das ganze Schreiben durchgelesen hatte, ohne ein einziges Mal Atem zu holen. Jetzt schnappte er kurz nach Luft, aber sie konnte die kalte Beklemmung nicht vertreiben, die sich in seiner Brust breitgemacht hatte.
»Darauf werden Sie sich doch wohl nicht einlassen«, sagte er.
O’Shea sah ihn kurz an, bevor er antwortete.
»Ich stehe bereits in Verhandlungen mit Swann. Das war das ursprüngliche Angebot. Ich habe die Verhandlungsposition der Anklage seit Eingang dieses Schreiben deutlich verbessert.«
»Inwiefern?«
»Er wird sich in allen Fällen schuldig bekennen müssen. Wir kriegen elf Schuldsprüche wegen Mordes.«
Und du kriegst rechtzeitig vor den Wahlen weitere Schlagzeilen, dachte Bosch, sagte es aber nicht.
»Und trotzdem kommt er ungestraft davon?«
»Nein, Detective, er kommt nicht ungestraft davon. Er wird nie mehr das Tageslicht sehen. Waren Sie mal oben, wo sie die Sexualverbrecher hinschicken, in Pelican Bay? Es klingt nur so, als wäre das ein hübscher Ort.«
»Aber keine Todesstrafe. Da kommen Sie ihm entgegen.«
Olivas verzog das Gesicht, als wäre Bosch schwer von Begriff.
»Ja, so weit kommen wir ihm entgegen«, sagte O’Shea. »Aber es ist unser einziges Zugeständnis. Keine Todesstrafe, aber er kommt für den Rest seines Lebens hinter Gitter.«
Bosch schüttelte den Kopf, sah Rider an und dann wieder O’Shea. Er sagte nichts, weil er wusste, es war nicht an ihm, diese Entscheidung zu treffen.
»Bevor wir uns allerdings auf einen solchen Handel einlassen«, fuhr O’Shea fort, »müssen wir zu hundert Prozent sicherstellen, dass diese neun auch tatsächlich auf sein Konto gehen. Waits ist nicht auf den Kopf gefallen. Das Ganze könnte ein Trick sein, um der Todesspritze zu entgehen, es könnte aber auch Hand und Fuß haben. Sie beide sollen, gemeinsam mit Freddy, herausfinden, was davon zutrifft. Ich werde mit den zuständigen Leuten telefonieren, damit Sie freigestellt werden. Das hier wird Ihr Auftrag.«
Als weder Bosch noch Rider antworteten, fuhr O’Shea fort: »Dass Waits einiges über die beiden Falle weiß, mit denen er uns in diesem Schreiben zu ködern versucht, liegt auf der Hand. Die Sache mit Fitzpatrick hat Freddy bereits nachgeprüft. Er wurde während der Unruhen nach Bekanntgabe des Rodney-King-Urteils getötet. Man hat ihn hinter dem heruntergelassenen Sicherheitsgitter seines Leihhauses verbrannt. Er war schwer bewaffnet. Was wir uns allerdings bisher nicht erklären können, ist, wie sein Mörder nahe genug an ihn herankam, um ihn in Brand zu stecken. Die Dose Brennspiritus wurde genau an der von Waits angegebenen Stelle gefunden, aufrecht stehend vor dem Sicherheitsgitter.«
»Was Waits’ Angaben zum Fall Gesto angeht, konnten wir sie bisher nicht überprüfen, weil Sie die Akte haben, Detective Bosch. Das mit der Garage haben Sie bereits bestätigt. Stimmt das mit den Kleidern und den Karotten ebenfalls?«
Bosch nickte widerstrebend.
»Die Sache mit dem Auto war allgemein bekannt«, sagte er. »Die Medien haben sich förmlich darauf
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