Echo Park
die Ärger machten oder ihm drohten. Anscheinend kommt das relativ häufig vor. Leute kommen irgendwann wieder an und wollen einen verpfändeten Gegenstand zurückkaufen, um dann festzustellen, dass die Frist bereits abgelaufen und der Gegenstand verkauft ist. Manche werden dann sauer und drohen dem Pfandleiher. Das wissen wir von einem Angestellten, der für ihn gearbeitet hat. Er war aber am Abend des Brands nicht im Leihhaus.«
»Haben sie die Namen auf der Sechsundachtzigerliste überprüft?«
»Wie es aussieht, haben sie zwar angefangen, die Liste durchzusehen, aber dann haben sie plötzlich aufgehört und das Ganze als willkürliche Gewalt in Zusammenhang mit den Unruhen abgeschrieben. Fitzpatrick wurde mit Brennspiritus angezündet. Die Hälfte der Geschäfte, die in dieser Straße niederbrannten, wurden auf dieselbe Art angezündet. Deshalb haben sie sich nicht weiter reingehängt und sind zum nächsten Fall übergegangen. Auf die Sache waren zwei Ermittler angesetzt. Einer ist schon pensioniert, der andere ist in der Pacific Division. Er ist inzwischen Sergeant im Streifendienst, Spätschicht. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen.«
Bosch wusste, er brauchte nicht zu fragen, ob Raynard Waits auf der 86er-Liste stand. Es wäre sicher das Erste gewesen, was Rider ihm erzählt hätte.
»Möglicherweise ist es einfacher, den Pensionierten zu fragen«, gab Bosch zu bedenken. »Die Pensionierten plaudern meist ganz gern.«
Rider nickte.
»Das wäre eine Idee.«
»Und noch was – Waits hat 1993, als er wegen dieser Spannergeschichte festgenommen wurde, einen falschen Namen angegeben. Robert Saxon. Ich weiß, dass du auf der Sechsundachtzigerliste nach Waits gesucht hast, aber vielleicht lohnt es sich nachzusehen, ob ein Saxon draufsteht.«
»Habe ich bereits.«
»Mir ist klar, dass du einiges am Hals hast, aber könntest du heute noch eine AutoTrack-Suche für Waits machen?«
Die Arbeitsteilung in ihrer Partnerschaft sah so aus, dass sie das meiste erledigte, wofür man einen Computer benötigte. AutoTrack war eine Datenbank, die anhand von Strom-, Gas- und Wasserrechnungen, Kfz-Zulassungen und ähnlichen Quellen die Wohnsitzwechsel einer Person rekonstruierte. Sie erwies sich als enorm hilfreich, wenn es festzustellen galt, wo eine bestimmte Person wann gelebt hatte.
»Das sollte noch drin sein.«
»Ich möchte gern wissen, wo er überall gewohnt hat. Ich kann mir nicht erklären, warum er nach Echo Park gefahren ist, und wie es aussieht, hat sich darüber bisher noch niemand groß Gedanken gemacht.«
»Wollte er dort nicht die Müllsäcke abladen?«
»Natürlich, klar, das wissen wir. Aber warum ausgerechnet in Echo Park? Er wohnte wesentlich näher am Griffith Park, der sich wahrscheinlich auch wesentlich besser dafür geeignet hätte, ein paar Leichen zu vergraben oder sonst irgendwie zu entsorgen. Ich weiß nicht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, einen wichtigen Punkt zu übersehen. Ich glaube, er war irgendwohin unterwegs, wo er sich gut auskannte.«
»Möglicherweise hat gerade die größere Entfernung den Ausschlag gegeben. Du weißt schon, nach dem Prinzip, je weiter weg, umso besser.«
Bosch nickte, ohne wirklich überzeugt zu wirken.
»Ich glaube, ich fahre da gleich mal hin.«
»Und dann was? Glaubst du etwa, du findest die Stelle, wo er die Müllsäcke vergraben wollte? Bist du plötzlich unter die Hellseher gegangen, Harry?«
»Nicht ganz. Ich will nur sehen, ob ich mir einen gewissen Eindruck von Waits verschaffen kann, bevor wir mit dem Kerl reden.«
Beim Aussprechen des Namens verzog Bosch das Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Was ist?«, fragte Rider.
»Weißt du eigentlich, was wir da machen? Wir helfen diesem Scheißkerl, am Leben zu bleiben. Einem Kerl, der Frauen zerstückelt und in der Gefriertruhe aufbewahrt und sie dann, wenn er keinen Platz mehr hat, wie Abfall entsorgt. Genau das ist unsere Aufgabe. Wir sollen einen Weg finden, damit dieser Kerl weiterleben darf.«
Rider runzelte die Stirn.
»Ich weiß, was in dir vorgeht, Harry, aber ich muss dir ehrlich gestehen, ich sehe die Sache eher wie O’Shea. Ich finde es besser, wenn wir alle Fälle aufklären und die Ungewissheit der Angehörigen endlich ein Ende nimmt. Es ist wie bei meiner Schwester. Bei ihr wollten wir es auch unbedingt wissen.«
Als Rider noch ein Teenager war, wurde ihre ältere Schwester Opfer eines Drive-by Shootings. Der Mord konnte aufgeklärt werden, und drei der Schützen wurden
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