Echo Park
einen Raynard Waits ausgestellt worden war. In diesem Führerschein waren zwar derselbe Geburtstag und Geburtsmonat vermerkt, allerdings mit einem kleinen Unterschied. Raynard Waits war genau vier Jahre älter, als er als Robert Saxon behauptet hatte.
Einmal identifiziert, gestand Waits bei einem Verhör durch die Polizei, nach einem Haus Ausschau gehalten zu haben, in das er hätte einbrechen können. In dem Bericht wurde jedoch vermerkt, dass es sich bei dem Fenster, durch das er gespäht hatte, um das Schlafzimmerfenster eines fünfzehnjährigen Mädchens handelte. Dank eines von seinem Anwalt Mickey Haller ausgearbeiteten Einigungsvorschlags entging Waits einer Anklage wegen eines Sexualdelikts. Er wurde zu achtzehn Monaten auf Bewährung verurteilt, die er den Berichten zufolge mit guten Bewertungen und ohne Verstöße gegen die Auflagen hinter sich brachte.
Bosch sah in diesem Vorfall einen frühen Hinweis auf das, was später kommen sollte. Doch die Justiz war zu überlastet und zu ineffektiv gewesen, um das bedrohliche Potenzial zu erkennen, das in Waits schlummerte. Angesichts dieser Daten wurde Bosch bewusst, dass Waits seine Bewährungsfrist unter dem strengen Blick der Justiz zwar mit Erfolg hinter sich gebracht hatte, gleichzeitig aber auch vom Spanner zum Mörder avanciert war. Marie Gesto wurde entführt, bevor seine Bewährungsfrist abgelaufen war.
»Wie kommst du voran?«
Bosch blickte auf und nahm rasch die Lesebrille ab, um besser sehen zu können. Rider war nach unten gekommen, um sich Kaffee zu holen. Sie hatte eine leere Worum geht es dem Täter?- Tasse in der Hand. Der Autor hatte jedem in der Einheit eine geschenkt.
»Fast fertig«, antwortete Bosch. »Und du?«
»Mit dem Material, das O’Shea uns gegeben hat, bin ich durch. Ich habe wegen der Kiste mit Beweismitteln im Fall Fitzpatrick in der Asservatenkammer angerufen.«
»Was ist da alles drin?«
»Keine Ahnung. In der Inventarliste des Mordbuchs ist als Inhalt nur ›Unterlagen aus dem Leihhaus‹ angegeben. Deswegen habe ich sie angefordert. Und bis ich sie kriege, mache ich die Matarese-Geschichte fertig, damit ich sie morgen rüberschicken kann. Je nachdem, wann wir mit Waits reden, reiche ich Matarese gleich als Erstes in der Frühe oder später am Abend ein. Hast du schon was zu Mittag gegessen?«
»Hab ich ganz vergessen. In der Fitzpatrick-Akte, ist dir da irgendwas aufgefallen?«
Sie schnappte sich den Stuhl gegenüber von Bosch und setzte sich.
»Der Fall wurde von der kurzlebigen Riot Crimes Task Force bearbeitet – erinnerst du dich noch an die?«
Bosch nickte.
»Sie hatten eine Aufklärungsrate von höchstens zehn Prozent«, fuhr Rider fort. »Praktisch kam jeder, der in diesen drei Tagen was ausgefressen hatte, ungeschoren davon, wenn er nicht gerade gefilmt oder fotografiert wurde wie dieser junge Typ, der einen Lasterfahrer niederschlug, als gerade ein Nachrichtenhubschrauber genau über ihm kreiste.«
Bosch erinnerte sich, dass die meisten der über fünfzig Todesfälle, zu denen es während der drei Tage dauernden Unruhen von 1992 gekommen war, nie aufgeklärt worden waren. In dieser Phase der Gesetzlosigkeit hatte in der Stadt jeder gemacht, was ihm gerade passte. Er erinnerte sich, mitten auf der Straße den Hollywood Boulevard hinuntergegangen zu sein und auf beiden Seiten brennende Häuser gesehen zu haben. In einem von ihnen hatte sich wahrscheinlich Fitzpatricks Leihhaus befunden.
»Sie standen von Anfang an auf verlorenem Posten«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte Rider. »Aus diesem Chaos damals anständige Anklagen zu basteln war so gut wie unmöglich. Der Fitzpatrick-Akte ist schnell anzusehen, dass sie sich nicht besonders ausführlich mit dem Fall beschäftigt haben. Sie haben den Tatort untersucht, während ein SWAT-Team die Umgebung gesichert hat. Das Ganze wurde ziemlich schnell als willkürliche Gewalt abgehakt, obwohl es Verschiedenes gab, womit sie sich routinemäßig hätten näher befassen müssen.«
»Was zum Beispiel?«
»Zuallererst der Umstand, dass sich Fitzpatrick bei allen Transaktionen streng an die Vorschriften hielt. Er nahm zum Beispiel jedem, der etwas bei ihm verpfändete, die Fingerabdrücke ab.«
»Damit ihm kein Diebesgut angedreht wurde.«
»Richtig. Und wie viele Leihhäuser hat es damals wohl gegeben, die das freiwillig getan haben? Außerdem hat er eine Sechsundachtzigerliste geführt – Kunden, die aus dem einen oder anderen Grund unerwünscht waren, und Kunden,
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