Echo Park
war, bekam er nur eine Bewährungsstrafe für Voyeurismus. In den Bewährungsunterlagen gab er an, in L. A. geboren und aufgewachsen zu sein. Wir kommen gerade von der Meldestelle. Dort gibt es keinen Eintrag über einen Raynard Waits, der an diesem oder einem anderen Datum in L. A. geboren wurde. Es gibt eine ganze Reihe von Robert Saxons, die in L. A. geboren wurden, aber keiner davon an einem 3. November in den beiden infrage kommenden Jahren.«
»Die Sache ist also die«, fügte Rider hinzu. »Wir wissen nicht, wer der Mann ist, mit dem wir gleich sprechen werden.«
O’Shea stieß sich von seinem Schreibtisch ab und stand auf. Er begann, in seinem geräumigen Büro auf und ab zu gehen und dachte kurz über das Gesagte nach, bevor er zu sprechen begann.
»Was Sie damit sagen wollen, ist also, dass die Führerscheinstelle entweder falsche Fingerabdrücke hatte oder dass es zu einer Verwechslung gekommen ist?«
Um den auf und ab gehenden O’Shea ansehen zu können, musste Bosch sich auf seinem Stuhl umdrehen.
»Damit will ich sagen, dass dieser Mann, wer immer er ist, vor dreizehn, vierzehn Jahren zur Führerscheinstelle gegangen sein könnte, um sich eine falsche Identität zuzulegen. Was braucht man schon groß, um sich einen Führerschein ausstellen zu lassen? Einen Altersnachweis. Damals konnte man sich auf dem Hollywood Boulevard problemlos falsche Ausweise und Geburtsurkunden kaufen. Oder er könnte jemand in der Führerscheinstelle bestochen haben. Er könnte alles Mögliche gemacht haben. Jedenfalls gibt es keinerlei Unterlagen, die bestätigen, dass er in L. A. geboren wurde. Das stellt auch alles andere in Zweifel.«
»Vielleicht hat er aber auch nur in dem einen Punkt eine falsche Angabe gemacht«, sagte Olivas. »Vielleicht ist er Waits, und es stimmt nur nicht, dass er hier geboren wurde. Sie kennen das doch. Wenn jemand draußen in Riverside geboren ist, erzählt er jedem, er sei aus L. A.«
Bosch schüttelte den Kopf. Er akzeptierte die von Olivas skizzierte Logik nicht.
»Der Name ist falsch«, erklärte Bosch mit Nachdruck. »Raynard ist eine Anspielung auf eine mittelalterliche Fabelgestalt namens Reynard der Fuchs. Er wird zwar mit einem E geschrieben, aber genauso ausgesprochen. Sehen Sie das in Verbindung mit dem Nachnamen, kriegen Sie Raynard Waits – der Fuchs wartet. Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Oder wollen Sie immer noch behaupten, jemand könnte ihm bei seiner Geburt diesen Namen gegeben haben?«
Kurz schwiegen alle im Raum.
»Ich weiß nicht.« O’Shea dachte laut nach. »Erscheint mir etwas weit hergeholt, diese Verbindung zum Mittelalter.«
»Aber nur, weil wir sie nicht beweisen können«, entgegnete Bosch. »Wenn Sie mich fragen, ist es viel weiter hergeholt, dass das sein richtiger Name ist.«
»Und was genau wollen Sie damit jetzt eigentlich sagen?«, fragte Olivas. »Dass er sich einen falschen Namen zugelegt und ihn behalten hat, obwohl er unter diesem Namen ins Vorstrafenregister eingetragen war? Das ergibt für mich keinen Sinn.«
»Für mich an sich auch nicht. Aber wir kennen die Geschichte dahinter noch nicht.«
»Okay, und was schlagen Sie nun vor?«, fragte O’Shea.
»Eigentlich nichts Spezielles«, antwortete Bosch. »Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen. Allerdings finde ich, dass wir es bei der Vernehmung gleich ins Protokoll aufnehmen sollten. Sie wissen schon, ihn bitten, Namen, Geburtsdatum und Geburtsort anzugeben. Als ob das zu Beginn einer Vernehmung gängige Praxis wäre. Und wenn er als seinen richtigen Namen Waits angibt, können wir ihn vielleicht irgendwann dieser Falschaussage überführen und ihn für alles belangen. Sie sag ten doch, die Abmachung lautet: Wenn er lügt, ist er dran. Dann können wir alles gegen ihn verwenden.«
O’Shea stand hinter Bosch und Rider am Couchtisch der Sitzgruppe. Um sehen zu können, wie er den Vorschlag aufnahm, musste sich Bosch zu ihm umdrehen. Der Staatsanwalt dachte kurz nach, dann nickte er.
»Es kann auf keinen Fall schaden«, sagte er schließlich. »Wir nehmen es zu Protokoll, reiten aber nicht weiter darauf herum. Absolut beiläufig, wie eine reine Routinemaßnahme. Wir können ihn uns deswegen dann später noch einmal vorknöpfen – falls wir mehr darüber herausfinden.«
Bosch sah Rider an.
»Du machst den Anfang, du befragst ihn zum ersten Fall. Deine erste Frage kann sich auf seinen Namen beziehen.«
»Gut«, sagte sie.
O’Shea kehrte hinter seinen Schreibtisch
Weitere Kostenlose Bücher