Echo Park
seinetwegen oder wegen der OIS?«
»Glauben Sie ernsthaft, die würden mich in so was einweihen? Ich habe lediglich den Anruf gekriegt, dass ich den Anruf tätigen soll, den ich jetzt gerade mache.«
»Verstehe.«
»Betrachten Sie es doch einfach mal so: Nachdem Irving so heftig gegen Sie schießt, wird Sie der Chief auf keinen Fall fallen lassen. Das sähe ja sonst so aus, als hätte Irving mit seinen Anschuldigungen recht. Daher nehme ich mal an, dass sie einfach nach Vorschrift vorgehen und sich hundertprozentig absichern wollen, bis die Sache geklärt ist. Machen Sie sich also ein paar schöne Tage, und melden Sie sich ab und zu.«
»Okay, und was haben Sie über Kiz gehört?«
»Die brauchen sie wahrscheinlich nicht eigens zu beurlauben. Sie kann vorläufig ohnehin nichts anstellen.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
»Und?«
Es war, als versuchte man, das Etikett von einer Bierflasche abzulösen. Es ging nie in einem Stück ab.
»Womöglich kriegt Kiz Ärger. Sie stand zusammen mit Olivas oben an der Leiter, als Waits die Waffe an sich brachte. Warum hat sie den Kerl nicht erledigt, obwohl sie Gelegenheit dazu hatte? Sieht ganz so aus, als hätte sie eine Blockade gehabt, Harry, und das heißt, die Sache könnte ziemlich unerfreulich für sie werden.«
Bosch nickte. Pratts politische Einschätzung der Situation erschien ihm absolut zutreffend. Und sie drückte seine Stimmung noch mehr. Im Moment musste Rider darum kämpfen, am Leben zu bleiben. Später würde sie darum kämpfen müssen, ihren Job zu behalten. Ihm war jetzt schon klar: Egal, in welche Richtung die Dinge sich entwickelten, er würde bis zum Schluss an ihrer Seite stehen.
»Okay«, sagte er. »Irgendwas Neues über Waits?«
»Nein, nichts. Spurlos verschwunden. Wahrscheinlich ist er längst irgendwo in Mexiko abgetaucht. Wenn der Kerl nicht auf den Kopf gefallen ist, wird er erst mal eine Weile von der Bildfläche verschwinden.«
Was das anging, war sich Bosch nicht so sicher, aber er behielt seine Zweifel für sich. Sein Instinkt sagte ihm, dass Waits zwar untergetaucht war, das schon, aber dass er sich nicht besonders weit abgesetzt hatte. Er musste an die U-Bahn-Station denken, in der Waits allem Anschein nach verschwunden war, und an die vielen Haltestellen zwischen Hollywood und Downtown. Er dachte an die Fabel von Reynard dem Fuchs und seiner versteckten Burg.
»Ich muss jetzt Schluss machen, Harry«, sagte Pratt. »Sonst so weit alles klar?«
»Ja, sicher, alles klar. Danke für die Informationen, Chef.«
»Versteht sich von selbst. Offiziell sollten Sie sich jeden Tag bei mir melden, bis wir mitgeteilt bekommen, dass Sie wieder im Dienst sind.«
»Mache ich.«
Bosch hängte auf. Ein paar Minuten später, als Rachel in die Küche kam, goss er Kaffee in einen Warmhaltebecher, der zu dem Lexus gehörte, den sie nach ihrer Versetzung nach L. A. geleast hatte. Sie hatte den Becher am Abend zuvor mitgebracht.
Sie war angezogen und bereit, zum Dienst zu fahren.
»Ich habe nichts zum Frühstück hier«, sagte Bosch. »Wenn du noch so viel Zeit hast, könnten wir ins Du-par’s runterfahren?«
»Nein, das macht nichts. Ich muss los.«
Sie riss ein rosa Tütchen mit Süßstoff auf und leerte den Inhalt in ihren Kaffee. Dann nahm sie einen Karton Milch aus dem Kühlschrank, den sie ebenfalls am Abend zuvor mitgebracht hatte. Sie gab etwas davon in ihren Kaffee und drückte den Deckel auf den Becher.
»Was war das gerade für ein Anruf?«, fragte sie.
»Mein Chef. Ich bin vorläufig beurlaubt.«
»Du Armer …«
Sie kam zu ihm und umarmte ihn.
»An sich eine reine Routinemaßnahme. Wegen der Medien und der politischen Auswirkungen des Falls können sie eigentlich gar nicht anders, bis die OIS ein Fehlverhalten meinerseits endgültig ausgeschlossen hat.«
»Und wie geht es dir damit?«
»Ganz okay.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Keine Ahnung. Das heißt ja nicht, dass ich die ganze Zeit zu Hause bleiben muss. Deshalb werde ich erst mal ins Krankenhaus fahren und sehen, ob sie mich für eine Weile zu meiner Partnerin lassen. Und danach wird sich schon was ergeben, schätze ich.«
»Sollen wir zusammen zu Mittag essen?«
»Gern. Gute Idee.«
Sie hatten schnell eine wohltuende Selbstverständlichkeit im Umgang miteinander gefunden, die Bosch gefiel. Es war fast, als müssten sie gar nicht reden.
»Mach dir um mich keine Gedanken«, sagte er. »Fahr du ruhig zum Dienst, und ich werde dann
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