Echo Park
gegen Mittag bei dir vorbeikommen. Ich rufe vorher kurz an.«
»Gut, dann bis später.«
Sie küsste ihn auf die Wange, bevor sie durch die Küchentür zum Carport ging. Er hatte ihr gesagt, sie solle an den Tagen, an denen sie zu ihm kam, das Auto in den Carport stellen.
Bosch trank auf der Terrasse eine Tasse Kaffee und blickte über den Cahuenga Pass hinweg auf die Stadt hinab. Der Himmel war von dem Regen zwei Tage zuvor immer noch klar. Es würde ein weiterer wunderschöner Tag im Paradies. Er beschloss, allein zum Du-par’s zu fahren und dort zu frühstücken und anschließend Kiz im Krankenhaus zu besuchen. Unterwegs konnte er sich ein paar Zeitungen besorgen, sehen, was sie über die Ereignisse vom Vortag schrieben, und sie dann Kiz mitbringen, ihr vielleicht daraus vorlesen, wenn sie das wollte.
Er ging ins Haus zurück und beschloss, in Anzug und Krawatte zu bleiben, weil er bereits fertig angezogen gewesen war, als er Pratts Anruf erhalten hatte. Beurlaubung hin oder her, er würde auftreten und aussehen wie ein Detective. Er ging in den begehbaren Kleiderschrank im Schlafzimmer und nahm vom obersten Bord die Schachtel mit der Akte, die er sich vier Jahre zuvor bei seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst kopiert hatte. Er suchte die Kopie von Marie Gestos Mordbuch heraus. Da die Ermittlungen zurzeit Jackson und Marcia übertragen waren, hatten sie das Original. Er beschloss, die Kopie mitzunehmen, falls er etwas zu lesen brauchte, während er Rider besuchte, oder wenn Jackson oder Marcia mit irgendwelchen Fragen anriefen.
Er fuhr den Hügel hinunter und nahm dann den Ventura Boulevard in Richtung Westen zum Du-par’s in Studio City. Er kaufte sich eine Los Angeles Times und eine Daily News von den Gestellen vor dem Restaurant, dann ging er nach drinnen und bestellte an der Theke einen French Toast und Kaffee.
Beide Zeitungen berichteten auf der ersten Seite von den Ereignissen im Beachwood Canyon, und beide brachten Fotos von Raynard Waits, die nach seiner Festnahme gemacht worden waren. In den dazugehörigen Artikeln ging es um die Fahndung nach dem verrückten Mörder und die Bildung einer LAPD-Sondereinheit. Außerdem war eine gebührenfreie Nummer angegeben, unter der Hinweise aus der Bevölkerung zum Fall Waits entgegengenommen wurden. Diesen Aspekt erachteten die Redakteure der zwei Zeitungen anscheinend für wichtiger und verkaufsfördernder als die Ermordung zweier Polizisten und die schwere Verwundung eines dritten.
Die Artikel enthielten vorwiegend Informationen, die bei den zahlreichen Pressekonferenzen am Tag zuvor bekannt gegeben worden waren, aber sehr wenig Einzelheiten über das, was oben im Beachwood Canyon tatsächlich passiert war. Unter anderem hieß es auch, die Ermittlungen seien noch in vollem Gange und die verantwortlichen Stellen rückten nur sehr widerwillig Informationen heraus. Die Lebensläufe von Deputy Doolan und den in die Schießerei verwickelten Polizisten waren bestenfalls rudimentär. Beide von Waits erschossene Männer waren Familienväter gewesen. Der verwundete weibliche Detective, Kizmin Rider, hatte sich vor Kurzem von einer »Lebenspartnerin« getrennt – ein kaum verhohlener Hinweis darauf, dass sie lesbisch war. Bosch kannte die Namen der für die Artikel verantwortl ich zeichnenden Reporter nicht und nahm an, dass sie neu in der Redaktion waren und über keinerlei Quellen mit Insiderwissen verfügten.
Auf der zweiten Seite beider Zeitungen fand er Artikel, die sich mit der Frage der politischen Verantwortung für die tödlichen Schüsse und die Flucht des Serienmörders befassten. Beide Blätter zitierten eine Vielzahl lokaler politischer Größen, die sich größtenteils dahingehend äußerten, es sei noch zu früh, um schon sagen zu können, ob sich der Beachwood-Zwischenfall positiv oder negativ auf Rick O’Sheas Kandidatur für das Amt des Bezirksstaatsanwalts auswirken würde. Obwohl es sein Fall war, bei dem so viel schiefgegangen war, konnte man die Hinweise auf seinen selbstlosen Einsatz bei der Rettung der schwer verletzten Polizistin, während sich der bewaffnete Mörder in unmittelbarer Nähe auf freiem Fuß befand, als positives Gegengewicht ansehen.
Dazu der Kommentar eines Experten: »Mit der Politik verhält es sich in dieser Stadt wie mit der Filmindustrie: Niemand kann im Vorhinein etwas sagen. Es könnte das Beste sein, was O’Shea passieren konnte. Es könnte das Schlimmste sein.«
Natürlich wurde O’Sheas Gegenkandidat
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