Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echo: Roman (German Edition)

Echo: Roman (German Edition)

Titel: Echo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
sich meist recht aufgeschlossen. Ich hatte selbst Freude daran, weil es mir gefiel, ein Publikum zu haben und die Prominente zu spielen.
    Somanda war eine große Frau mit einem blassen Teint. Sie schien ein Mensch zu sein, der schon zu viel Blödsinn erlebt hatte, um die Welt noch ernst zu nehmen. Sie stand neben einem Fenster. »Chase« , sagte sie, »ich fürchte, wir müssen die Veranstaltung absagen. Tut mir leid, dass ich mich so kurzfristig melde. Falls Sie Auslagen hatten, werden wir natürlich dafür aufkommen.«
    »Nein«, sagte ich, »das ist kein Problem. Stimmt denn irgendwas nicht?«
    »Eigentlich nicht. Wir haben nur ... Na ja, ich habe es einfach nicht kommen sehen.«
    »Was ist passiert, Somanda?«
    »Es gibt da ein paar Eltern, in deren Augen Alex eine fragwürdige Persönlichkeit ist.«
    »Sie meinen, weil er Artefakte birgt?«
    »Nun ja, so haben sie das nicht ausgedrückt. Einige von ihnen sehen in ihm so etwas wie, na ja, einen Grabräuber. Eine Person, die das, was sie findet, verhökert, statt es einem Museum zu stiften. Und sie stören sich daran, dass er andere fördert, die auf einem Gebiet tätig sind, was in den Augen dieser Eltern einem Schwarzmarkt gleichkommt.«
    »Ich verstehe.«
    »Es tut mir leid, wirklich. Bitte verstehen Sie, dass das keinesfalls eine Kritik an Ihnen sein soll.«
    Hal Cavallero hatte World’s End Tours im Frühjahr 1403 verlassen. Laut seiner Biographie hatte er eine Auszeit gewollt, um ›einfach mal das Leben zu genießen‹, aber er war nie zur Firma zurückgekehrt. Irgendwann war er bei Universal Transport gelandet, wo er dreizehn Jahre lang Handelsgüter kreuz und quer durch die Konföderation geflogen hatte. Dann, 1418, war er nach Hause zurückgekehrt, nach Carnaiva, einer kleinen Stadt in der Provinz Attica in der Prärie. Dort hatten seine zweite Frau Tyra und er einen fünfjährigen Jungen adoptiert. Sie schlossen sich der Bürgerschaft für verlorene Kinder an, adoptierten sechs weitere Kinder und gründeten die Raum-Station . Freiwillige stießen dazu, die Bürgerschaft sorgte für die finanziellen Mittel, und schließlich wurde die Raum-Station zu einer Zuflucht für über einhundert verwaiste oder verlassene Kinder. Cavallero erfuhr für seine Arbeit viel Anerkennung und erhielt unter anderem eine Auszeichnung für hervorragende Leistungen von der Pilotenvereinigung.
    Drei Tage nach der Mittagsrunde der Piloten saß ich im Nachtzug der Schwebebahn und sah zu, wie die am Fenster vorüberziehende Landschaft die zunehmende Kälte verriet, die draußen herrschte. Der Zug fährt über eine lange Strecke durch trostlose, eisige Wälder. Schließlich erreicht der Zug das Altamahabecken, das einst ein See gewesen ist. Nun jedoch gibt es dort nur fruchtbares Ackerland. In Indira, dem Herzen der Bestattungsindustrie (auch bekannt als Kremierungsstation) hatten wir zwei Stunden Aufenthalt. Ich stieg aus, spazierte ein wenig umher, suchte einen Andenkenladen auf und stieg wieder in den Zug. Inzwischen waren einige neue Passagiere an Bord. Drei Frauen und zwei Kinder. Eine der Frauen erregte meine Aufmerksamkeit. Es war nicht ihre auffallende Erscheinung, die meinen Blick auf sich zog. Tatsächlich wäre die Frau in einer Menge gewiss nicht aufgefallen. Aber ihre Züge deuteten an, dass sie eine perfekte Bestatterin abgegeben hätte. Sie war blass, ernst, hager, wirkte emotional abwesend. Sie ging an mir vorbei, den Blick stur geradeaus gerichtet, und setzte sich auf ihren Platz. Der Zug fuhr nach Carnaiva, wo wir im Laufe des Vormittags eintrafen.
    Auf Alex’ Vorschlag hin hatte ich mein Kommen nicht angekündigt. Nur niemanden aufschrecken. Gib Hal keine Zeit, sich große Gedanken zu machen! Das verhindere spontane Aktionen, hatte Alex gesagt.
    »Wir brauchen Spontanität.«
    »Allerdings.«
    Carnaiva war die letzte Station auf dieser Zugstrecke. Die Stadt war von Bäumen umgeben, den einzigen Bäumen, die in dieser sonst so kahlen Landschaft zu sehen waren. Sie wirkten wie ein Schild gegen die eisigen Winde, die unablässig von Norden wehten.
    Die Stadt war ein Zufluchtsort für alteingesessene Familien, die einander schon seit Jahrhunderten kannten. Niemand zog nach Carnaiva; und die, die fortzogen, kamen, wie es die hiesige Tradition vorsah, unausweichlich irgendwann zurück. Dies war, wie die Einheimischen sagten, ein Ort, an dem es noch möglich war, nahe an der Natur zu leben. Damit hatten sie zweifellos recht. Wenn Sie harte Winter, plattes Land,

Weitere Kostenlose Bücher