Echo: Roman (German Edition)
noch mehrere Minuten regungslos da. Endlich: »Hatte die Polizei den Bereich nicht abgesperrt?«
»Doch, hatte sie.«
»Wie bist du an der Absperrung vorbeigekommen?« Seine Stimme klang sachlich, flach, ruhig. Und damit verriet sie mir alles, was ich wissen musste.
»Sie haben mich durchgelassen.«
»Die Polizisten?«
»Ja.«
»Warum?«
»Sie haben es eben getan.«
Wir saßen in seinem Büro auf der Rückseite des Hauses. Er fixierte immer noch die Lampe. »Hast du Fenn angerufen?«
»Nein.«
»Chase! « Nun schwenkte er diesen durchdringenden Blick auf mich.
»Die Polizisten vor Ort haben ihn angerufen.«
»Und er hat dich reingebracht?«
»Ja.«
Alex presste die Fingerspitzen an die Schläfen. Er sah aus, als litte er echte Schmerzen. »Jacob, versuch, eine Verbindung zu Inspektor Redfield herzustellen!«
»Warte!«, sagte ich.
»Was?« Alex’ Stimme klang eisig.
»Ich möchte nicht, dass du das tust. Wenn du mit ihm Ärger anfängst, bringst du mich in Verlegenheit.«
»Chase, die Frau ist tot! «
»Und das ist meine Schuld, richtig?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Was hast du denn gesagt?« Ich glaube, ich bewegte mich am Rand der Hysterie. Ich kannte die Wahrheit. Wahrscheinlich wäre Rachel so oder so gesprungen. Trotzdem konnte ich mich nicht von dem Gedanken lösen, dass es, hätte ich auf Fenn gehört und Abstand gewahrt, vielleicht anders ausgegangen wäre.
»Alex« , Jacob hörte sich nervös an, »soll ich die Verbindung herstellen?«
Alex ignorierte die Frage. »Ich habe gesagt, dass Rachel offensichtlich infolge der Ermittlungen gestorben ist, die Rainbow angestellt hat. Das ist meine Verantwortung, nicht deine. Es ist nur so, dass Redfield gewusst hat, was wir für sie bedeutet haben. Dass es inhärent gefährlich war, sie daran zu erinnern, warum sie da draußen war. Er hat es besser gewusst, und trotzdem hat er dir gesagt, du könntest zu ihr gehen. Verdammt!«
»Na schön«, sagte ich. »Mach, was du willst! Das tust du so oder so.« Ich sah ihn an und hatte doch Probleme, ihn wirklich zu sehen. »Ich habe genug, Alex. Ich gehe nach Hause.«
»Das ist bestimmt eine gute Idee, Chase.« Seine Stimme klang wieder milder. »Lös dich einfach eine Weile von all dem!«
»Ja. Ich nehme ein Taxi.« Ich stand auf. »Sonst noch was?«
»Nein. Wir sehen uns morgen. Falls du das Gefühl hast, du brauchst mehr Zeit ...«
»Was passiert nun in Bezug auf diese Tafel?«
Er erhob sich, und wir gingen über den mit Teppich ausgelegten Korridor zu meinem Büro. »Ich habe da immer noch ein paar Ideen.«
»Soll das heißen, du willst diese Sache immer noch weiter verfolgen?«
»Ja.« Er schien nicht überrascht zu sein, dass mir dieser Gedanke widerstrebte. »Chase, das ist jetzt wichtiger denn je.«
»Warum?«
»Weil was immer Rachel zu verbergen hatte, was immer ihr damals vor fünfundzwanzig Jahren zugestoßen ist, so bedeutsam war, dass sie sich dem nicht stellen konnte. Sie muss gewusst haben, dass jemand den Faden aufgreifen würde, sollten wir uns zurückziehen. Die Tafel ist längst zu bekannt geworden.«
»Alex, ich habe ihr versprochen, dass ich damit aufhöre.«
»Ich weiß.« An der Tür blieben wir kurz stehen, ehe wir das Büro betraten. Ich holte meine Jacke aus dem Schrank und schlüpfte hinein. »Vielleicht hat sie es deswegen getan.«
»Weswegen?«
»Um dieses Versprechen zu erzwingen.«
»Soll das heißen ...«
»Dass die Wahrung dieses wie auch immer gearteten Geheimnisses ihr wichtiger war als ihr Leben.«
Ich ging nach Hause. Im Büro waren tausend Anrufe eingegangen, überwiegend von Medienleuten. Aber ein paar kamen auch von Menschen, die mir meinten unbedingt sagen zu müssen, was sie von mir hielten. Ein Anruf stammte von Robin, der wissen wollte, ob ich in Ordnung sei. Als ich zu Hause ankam, erwarteten mich noch mehr Anrufe. Darunter von meiner eigenen Familie. Einer war von meiner Schwester. Ob es mir gut gehe? Warum man mir die Schuld am Selbstmord dieser armen Frau zuschreibe?
Der Anruf, der mich am meisten schmerzte, stammte von Fenn. »Es war nicht Ihre Schuld, Chase« , sagte er. »Ich habe meine Zustimmung gegeben, und das hätte ich nicht tun sollen. Ich übernehme die volle Verantwortung.«
Ich zog mich um und ging hinaus, um einen Spaziergang in den Wald zu machen. Ein Vogel war hoch oben in einem der Bäume, ein Korin , der vor sich hin klapperte, ehe er sich in die Lüfte erhob, die weißen Schwingen unter der Sonne ausgebreitet. Ich
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