Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
der Klasse Beschwerden über eure Ausdrucksweise. Die Mädchen möchten nicht, dass ihr so dreckig mit ihnen redet. Das muss aufhören. Und zwar sofort. Wir machen das ab jetzt folgendermaßen: Ihr Mädchen schreibt sofort auf, wenn jemand etwas Unangemessenes zu euch sagt. Genauer Wortlaut, wo und wann das gesagt wurde. Am besten auch, wer das noch gehört hat. Dann gebt ihr mir das. Ich werde dafür sorgen, dass der Junge, von dem das kommt, einen Brief an seine Eltern schreibt, worin steht, was er gesagt hat. Diesen Brief schicken wir dann nach Hause, und er muss von euren Eltern unterschrieben werden.«
Ich sehe, wie die Jungen sich diese Situation vorstellen. Keiner sagt etwas. Ich bin sicher, diese Maßnahme wird die Ausdrucksweise meiner Schüler gehörig verbessern. Ich gucke in die Runde. Die Mädchen grinsen mich dankbar und zufrieden an. Mal sehen, wie lange der Frieden hält.
Verzichte auf provozierende Latzhosen
Bei der Konferenz ist es passiert. Ich habe es richtig gemerkt: Krankheit kriecht in mir hoch. Kalte Knie und Hals. Mist. Schnell nach Hause und in die Badewanne. Draußen: Regen. Schirm vergessen, na, toll. Und im Bus: Niesattacken. Zu Hause am Schreibtisch: wieder kalte Knie. Ich fühle mich schon richtig krank. Zu krank für die Wirbelsäulengymnastik in meinem Fitnessstudio. Toll, also krank und Rückenschmerzen. Der Freund ist in der Küche und kocht Suppe. Vielleicht hilft das noch.
Scheiß Herbst. Wie hatte ich mich darauf gefreut. Keine Sonnenbrandgefahr mehr und endlich wieder zu Hause bleiben dürfen. In der Wohnung, Licht an und voll gemütlich. Aber wenn ich mich so umgucke, ist das weit entfernt von gemütlich – überall Staub und Dreck. Wahrscheinlich habe ich einfach eine Staub- und Dreckallergie und muss deshalb so viel niesen. Und überall in meinem Zimmer steht Zeugs rum. Ich habe ungefähr tausend Billy-Regale, trotzdem stehen sieben Leitz-Ordner neben und sechs weitere unter meinem Schreibtisch. Und auf dem Tisch schon wieder lauter Haufen. Haufen und Dreck. Und diese Regale … Was da für ein unnützer Scheiß drin ist. Eine Million Didaktikbücher, in die ich NIE reingucke. Jedes einzelne habe ich in der Überzeugung gekauft, dass ich nur dann eine richtig gute Lehrerin sein kann, wenn ich genau dieses Buch lese. Und was ist? Ich bin schlecht wie eh und je. Wie viel Geld ich schon in Buchhandlungen der Schulbuchverlage gelassen habe … Irgendwann haben mich die Verkäuferinnen mit Vornamen begrüßt und mir Kaffee hingestellt.
Da steht auch der fette Ordner von diesem Jugendförderprogramm des Lions Club: Lions-Quest – »Erwachsen werden«. Klar habe ich das Seminar bei denen gemacht. Mit Inbrunst habe ich dort teilgenommen. Und nun? Nun steht der Ordner rum und sammelt den Staub für meine Allergie. Kann ich ihn nicht einfach meinen Schülern geben: »Hier, erwachsen werden! Lesen und machen!«
Klippert! Klippert in all seinen Auswüchsen. Methodentraining! Buäh, der olle Klippert hat sich ’ne goldene Nase damit verdient und muss nicht mehr in die Manege. Ist der überhaupt mal Lehrer gewesen? Auf jeden Fall liebt Heinz Klippert, dieser selbsternannte Schulreformer und Methodenfetischist, die Gruppenarbeit.
Ich bin ja auch ein Kind der Gruppenarbeit. Damals, an der neu erblühten Gesamtschule, wo die Lehrer Ohrringe, Latzhosen und wallende Tücher trugen, da standen alle total auf Gruppenarbeit. Gruppenarbeit von früh bis spät. Eigentlich gab es gar nichts anderes. Unsere Schule wurde sogar extra für die Bedürfnisse der Gruppenarbeit gebaut. Hinter jedem Klassenraum gab es noch mehrere kleine Räume: für Gruppenarbeit! Yeah!
Das lief immer gleich ab: »Herr Meyer, wir gehen für die Gruppenarbeit nach hinten in den anderen Raum, okay?«
Herr Meyer, ein etwas unsicherer Junglehrer mit Idealen und Latzhose: »Okay.«
Wir dann im anderen Raum (unbeaufsichtigt, weil da-
mals den Schülern noch vertraut wurde): »Lass erst mal was essen.«
Ich erinnere mich an Tausende von Stunden im Gruppenarbeitsraum: gegen die Wand kippelnd, essend und quatschend. Am Ende der Stunde: »Oh Scheiße, wir sollten doch irgendwas machen.« Dann haben wir schnell irgendeinen Müll zusammengekliert und sind beim Klingeln zu Herrn Meyer. »Herr Meyer, wir sind noch nicht ganz fertig. Wir brauchen noch mal ein oder zwei Stunden.«
Keiner kann mir erzählen, dass sich die Kinder heute so doll geändert hätten in Bezug auf Gruppenarbeit. Herr Klippert sollte die Sache
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