Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
irgendwann auf und bringt mir Tee. Endlich kann ich wimmern und jammern: »Aua, mein Hals. Mir tut alles weh.«
Ich schalte mich von einem Regionalsender zum nächsten. Als ich beim Homeshopping stoppe, meckert mich der Freund auch noch an: »Nee, also nicht so was jetzt.« Ich fange sofort wieder an zu jammern. Er entschuldigt sich. Ich höre kurz mit meinem Wehklagen auf. Draußen scheint die Sonne. Dann ruft die Erzieherin meiner Klasse an. Wir hatten Eltern eingeladen – es soll eine große Anhörung geben, wegen Marias Cyberaffäre. Ich hab mich schon seit einer Woche darauf gefreut. Mist! Ich gebe Instruktionen. Die Erzieherin sagt: »Geh mal raus, draußen ist’s schön. Nur rumliegen ist nicht gut.« Nach dem Gespräch falle ich erschöpft zurück in die Kissen. Ich wälze mich von links nach rechts, weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll. Ich weiß einfach nicht, wie Krank sein geht.
»Du bist wie ein Pups, der im Zimmer hängt«, sagt der Freund. Als Freiberufler ist er ja meistens zu Hause.
Gegen Mittag gehen wir raus. Ich muss dem Finanzamt einen Zettel bringen. Das Finanzamt meckert. Seit ich nicht mehr zu Hause wohne, haben Ämter das elterliche Meckern übernommen. Früher hieß es: »Bring den Müll runter, räum dein Zimmer auf! Heute meckert die Rentenbehörde: »Wir haben Ihnen schon im Mai geschrieben, dass Sie Ihre Beschäftigungszeiten von 1990 – 1994 nachweisen sollen.« Das Finanzamt, die Krankenkasse, die Bank, die Personalstelle und so weiter. Alles ein Ersatz für meine mich anmeckernden Eltern.
Der Weg zum Finanzamt ist sehr viel weiter als sonst. Wir schleichen. Es ist kälter, als es aussieht. In meinem Kopf ist Druck und ich kann nicht richtig hören. Draußen ist man immer viel kränker als drinnen.
Irgendwann will ich nur noch zurück auf die Couch. »Du isst jetzt deine Suppe und dann schläfst du!«, befiehlt der Freund. Ich gehorche. Ich schlafe nachmittags! Als ich aufwache, ist es dunkel. Der Tag hat ohne mich stattgefunden. Langweilig. In meiner Vorstellung fetzt das voll, zu Hause zu bleiben, aber in real life ist es überhaupt nicht toll. Vor allem, weil man ja gar nichts gebacken kriegt, obwohl man so viel Zeit hat.
Der Nächste bitte
»Was ist mit Englisch?«
»Na, wie war Berat denn in der Grundschule in Englisch?«
»Nicht gut, nicht gut«, Mama Berat schüttelt den Kopf und guckt zu ihrem Sohn. Der wird ganz rot. Eingequetscht zwischen Mama und Papa und gegenüber die Lehrerin. In der Berat-Familie sind sie groß, massig. Alle. Berat ist in der Siebten – er könnte jetzt schon Sumoringer sein. Seine Ohren stehen ab, und er hat ein knuffig-pausiges Gesicht.
»Ich gucke mal, was Berat in der Arbeit geschrieben hat«, sage ich und blättere in meinem Notenheft. Ich weiß es nicht mehr. Berat schon, denn er starrt jetzt auf den Boden.
»Oh, das waren nur null Punkte.«
Wir schweigen alle.
»Na, Berat, nächste Arbeit wird aber besser. Schlechter geht ja nicht mehr«, sage ich, um alle ein wenig aufzuheitern.
»Berat, sagen wir eine Vier nächstes Mal? Die Fünf überspringen wir einfach, ja?«
Berat grinst übers ganze Gesicht, erleichtert, dass wir die Fünf überspringen. Jetzt freut sich Mama Berat auch. Papa Berat, der, glaube ich, kein Wort verstanden hat, grinst
auch.
»Na schön …«, sage ich und signalisiere durch Aufstehen, dass das Gespräch beendet ist. Wir schütteln uns alle die Hände. Dann hole ich die nächsten Eltern mit ihren Sprösslingen rein.
Elternsprechtag – wie ich das liebe. Schlau daherquatschen, unheimlich pädagogisch tun, auf alles eine Antwort haben, und wenn man gar nicht weiterweiß, einfach das Thema wechseln. Niemand verlässt unzufrieden meinen Raum.
Diesmal kann ich auch gar nicht viel Schlechtes über die Kinder sagen. Aus meiner Klasse sind fast alle Eltern da. Die vier, die nicht kommen konnten, haben sich vorher abgemeldet.
Ausnahmsweise befinde ich oft: »Alles super. Ich kann nichts Negatives über Ihr Kind sagen. Sie können sehr stolz sein.« Das ist nicht mal gelogen oder auch nur übertrieben. Selbst mit den Müttern, deren Söhne die Lochgrößendiskussion gestartet hatten, verstehe ich mich super.
»Sie haben ja Post von mir bekommen.«
»Ja, wir haben auch darüber geredet. So geht das natürlich nicht.«
»Machst du das jetzt noch?«, frage ich Volkan.
Verschämtes Kopfschütteln.
Dann noch eine Moraldusche von mir: »Guck mal, deine Mutter ist eine Dame und ich auch. Und die
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