Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
nicht. Aber wehe, jemand hat in einem Film, der in den 60er Jahren spielen soll, etwas zu lange Haare.
»Ich brauch unbedingt diesen Pulli. Ich dusche gleich, und dann gehe ich los. Der Pulli ist Frühling. Der wird mir jeden Tag gute Laune machen und den Schülern auch. Dann machen sie vielleicht auch mal im Unterricht mit, weil sie sehen, dass ich der Frühling bin, und das Leben schön ist.«
»Machst du noch mal Kaffee? War nur noch eine halbe Tasse da.«
Irgendwann sitze ich endlich im Bus. Ich bin so aufgeregt, dass ich nicht in dem Buch lesen kann, das ich mir extra für die Fahrt mitgenommen habe. Wie teuer der Pulli wohl ist? Egal.
Ich steige aus dem Bus und stehe vor einem Buchladen. In Buchläden muss ich immer kurz reingehen. Der Buchladen ist groß. Ich latsche ziellos durch die Gegend. Nachdem ich mir viele Bücher angeguckt und noch mehr angefasst habe, gehe ich wieder raus. Da: der ESPRIT-Laden, das Zuhause meiner Lehrerfreundin Frau Dienstag. Mich trifft man hier eher selten. Gekonnt scanne ich die gesamte linke Seite des Ladens. Ah, da an der Wand ein Riesenplakat mit einem anderen Model in MEINEM Pulli. Er sieht immer noch super aus.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Klar, ich suche genau DEN Pulli.
»Nein, ich gucke nur.«
Wo ist der nur? In den Regalen hängen rote, blaue und weiße Sachen. Nichts anderes. Alle anderen Farben scheinen diese Saison verboten zu sein. Mein Pulli ist aber weder rot noch blau. Ich gehe durch den ganzen Laden. Suche, krame – NICHTS! Nirgendwo auch nur der Hauch von Pink oder Orange. Frustriert gehe ich zum Ausgang. Da hängt das gleiche Plakat. Das Model grinst mich an. Sie soll mir den Pulli geben! Was ist das für eine Unverschämtheit? Erst lockt mich die Werbung in den Laden, und dann dürfen nur die Models auf den Postern den Pulli tragen, während ich mir irgendwas in rot, blau oder weiß kaufen soll. Eine andere Verkäuferin kommt auf mich zu. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, davon brauche ich echt viel, und frage (es soll sehr beiläufig klingen): »Diesen Pulli da, den haben Sie nicht, oder?«
»Doch, doch, den haben wir. Moment.« Sie geht in die Ecke, die ich schon genauestens inspiziert habe. »Der war doch hier irgendwo …« Hoffnung keimt und erlischt sofort wieder, während ich ihr durch die Regalreihen folge. Alles nur rot, blau, weiß. Aber dann biegen wir um eine Ecke, und da sehe ich ihn. Im untersten Regal liegt er. Einsam und aussätzig neben lauter roten und blauen Strickjacken. »DA!«, schreie ich, »DA IST ER!«
»Ah, ja, genau«, sagt die Verkäuferin, nimmt meinen Pulli hoch und guckt auf das Schild. »S!«
»Oh, ich habe aber M. Gibt es den vielleicht noch in M?« Natürlich gibt es den bestimmt nicht mehr in M, sonst läge der ja da.
»Nein, da ist ein grüner Punkt drauf. Das heißt: Es ist der Letzte.«
Ich kann es nicht glauben. Endlich habe ich ihn gefunden, und dann gibt es ihn nicht in meiner Größe? »Ich kann den ja mal anprobieren!«, sage ich und reiße ihr den Pulli aus der Hand.
In der Umkleidekabine gucke ich ihn mir genau an. Er ist perfekt. Er ist der Frühling, und er soll mir gehören. Ich ziehe ihn an und – ER PASST!!
Überglücklich bezahle ich meinen Pulli an der Kasse. Jetzt schnell nach Hause und umziehen. Glück kann so einfach sein.
Ich bin der Frühling
Gleich am nächsten Tag ziehe ich meinen neuen Pulli an. Sitzt immer noch wie angegossen. Weil ich nur noch eine Jeans habe, die mir passt, muss die ständig gewaschen werden. Am Vorabend habe ich sie auf die Heizung gelegt, morgens ist sie eigentlich noch zu klamm zum Anziehen. Egal, wozu hat man denn Körpertemperatur!
Ich also frühlingshaft bunt raus aus dem Haus und rein in die Schule. In meinem Raum ist es warm – Südseite, Fensterfront, olé!
»Voll warm hier! Können wir nicht die Fenster aufmachen?«
Wir machen alle Fenster auf und auch noch die Tür – eine leichte Brise soll uns abkühlen. Ich unterrichte hierhin und dorthin und lasse eine Englischarbeit schreiben, die außer mir jeden voll überrascht.
Nach drei Stunden verspüre ich leichte Nackenschmerzen. Ich trage keinen Schal, denn laut Frau Dienstag passt mein schwarzer Schal ganz und gar nicht zum neuen Pulli.
Mittags Hofaufsicht, 30 Minuten draußen. Es ist ja und ich bin ja: Frühling! Deshalb schön mal ohne Jacke auf den Hof. Genauso dünn angezogen wie ein bekloppter Schüler stehe ich dort draußen rum und friere. Der Pulli ist einfach mal nicht warm
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