Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
genug.
Der Nacken schmerzt immer mehr. In der letzten Stunde kann ich den Kopf gar nicht mehr drehen und dirigiere die Schüler wie ein Roboter an ihre Plätze. Irgendwann ist auch dieser Montag vorbei. Im Bus nach Hause werden die Nackenschmerzen so unerträglich, dass ich mich wimmernd auf dem Boden rollen möchte. Stattdessen gehe ich sofort zum Arzt.
»Guten Tag. Ich habe keinen Termin, aber große Schmerzen im Nackenbereich.«
Die junge, am Hals tätowierte Sprechstundenhilfe guckt mich an. Ich bin kurz davor, ihr auf den Tresen zu kotzen, weil sich der Schmerz migräneartig im Kopf ausbreitet. Das Wartezimmer ist total voll. Die Sprechstundenhilfe zeigt keinerlei Mitleid.
»Leider haben wir heute keine Termine mehr.«
Ich will schon gehen, frage dann aber: »Auch nicht, wenn ich privatversichert bin?« Und plötzlich bin ich die königliche Spezialpatientin. Werde in einen Extrawarteraum geführt, mit Fernseher, Wasser mit und ohne Kohlensäure und Bonbons. Kaum habe ich meine Jacke ausgezogen, werde ich schon ins Sprechzimmer gebeten. Zweiklassengesellschaft … aber wenn es einem richtig dreckig geht, nimmt man diese Ungerechtigkeit irgendwie in Kauf.
Der Arzt stellt fest: alles verspannt, alles krumm und schief und schreibt mir zehn Behandlungen auf. Vorher gibt er mir noch fiese Spritzen, die gar nichts bewirken.
Ich schleppe mich nach Hause und walze dort das ganze Leid aus, das ich im Bus und im Wartezimmer zurückhalten musste. Der Freund massiert mich, bettet, füttert und bedauert mich, bis ich erschöpft einschlafe.
Und das alles nur, weil der blöde Pullover von Frau Bündchen zu dünn ist. Glück ist wohl eher eine flüchtige Angelegenheit.
Immer kriegen wir die
schlimmen Schüler
»Frau Freitag, Frau Freitag, wir kriegen neuen Schüler!«
»Jaaa, voll schlimm, der soll voll schlimm sein!« Rosa und Dilay aus meiner Klasse stehen mit entsetztem Blick vor mir.
»Moment mal. Langsam. Was ist mit dem neuen Schüler?«, frage ich, denn ich weiß von nichts.
»Frau Freitag, warum müssen IMMER wir die schlimmen Schüler bekommen?«, fragt Dilay und schaut mich vorwurfsvoll an, als würde ich jede Stunde mit einem neuen Krawallheini anrücken.
»Also mir ist nicht bekannt, dass wir jemand Neues in die Klasse bekommen.«
»Aber alle erzählen das«, sagt Rosa.
»Dilay, was heißt denn eigentlich, dass wir IMMER die schlimmen Schüler bekommen?«
»Na, ist doch so.« Jetzt schmollt sie richtig.
»Wen meinst du denn? Anil ist doch schon lange weg. Meinst du Paolo? Der kam ja von einer anderen Schule und ist doch auch ganz nett.«
Dilay macht mir mit einem schnell ausgeatmeten »pfff« klar, dass sie nicht meiner Meinung ist.
»Jetzt setzt euch mal hin. Noch ist ja gar kein neuer Schüler zu sehen.«
Die Mädchen setzen sich. An ihren besorgten Gesichtern kann ich ablesen, dass sie im Gegensatz zu mir nicht glauben, dass sich dieses Thema in Wohlgefallen auflösen wird.
Später schaue ich mich im Lehrerzimmer um. Warte, dass mich irgendjemand anspricht und mir mitteilt, dass ich ab Montag einen neuen Schüler bekomme. Aber nichts. Ich will mich nicht weiter darum kümmern. Wer nicht fragt, bekommt auch keine schlimmen Jungs in die Klasse. Etwas unwohl ist mir allerdings. Woher stammt dieses Gerücht? Ganz undenkbar wäre es nicht – die Kollegen diskutieren ständig das unmögliche Verhalten einzelner Schüler in irgendwelchen Sitzungen und legen Ordnungsmaßnahmen fest.
Ich habe dieses Jahr noch keine Sitzung gemacht. Anil, meinen schwierigen Fall, haben wir vor ein paar Wochen außerhalb unserer Schule untergebracht. Gut für ihn, für uns und vor allem für all die Parallelklassen, die sich nicht mit ihm beschäftigen müssen. Jetzt ist bei mir in der Klasse ein Platz frei. Meine Klasse hat nicht den schlechtesten Ruf. Die Kollegen hingegen klagen und jammern dauernd, was für Brocken sie in ihren Gruppen haben. Da überlegt man sich bestimmt schnell mal, einen schwierigen Schüler einfach in die liebe Freitagklasse zu versetzen.
Aber niemand spricht mich an. Nicht am Montag, nicht am Dienstag, nicht am Mittwoch oder Donnerstag. Freitag haben wir Wandertag, und ich gehe mit meiner Klasse bowlen. Kein Zettel liegt in meinem Fach, keine E-Mail in meinem Posteingang.
Am Montag nach dem Wandertag komme ich ins Lehrerzimmer, da verstopft etwas mein Fach. Eine Schülerakte aus der Parallelklasse. Die dicke fette Akte von Günther P., ab sofort strafversetzt von der Kernertklasse in
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