Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
Vom Netzwerk:
beschaute sich die eben gelieferte Warenladung Obst und Gemüse vom Großhandel, dann schimpfte sie lauthals über die vielen im Katalog gestrichenen Produkte: "Die Donnerwetter, in der Zeitung, da haben sie alles, aber in Wirklichkeit, da haben sie nichts. Nicht mal eine Kiste Weißkohl im Herbst. Kann mir mal jemand erklären, wie ich täglich für 120 Kinder und 20 Erwachsene kochen soll? So etwas hätte es in Bessarabien nie gegeben."
     
    Daniel: "Die Donnerwetter"?
     
    Christian: Ja, "Die Donnerwetter", damit meinten mein Großvater und meine Mutter die Genossen, die ansagten, wo es lang geht. Glaubte man deren Reden gab es alles, schaute man sich in der Realität um, sah man, was es wirklich gab und das war nicht viel.
    Glücklicherweise war die Leiterin des Kindergartens so nett und hat erst einmal die Türen geschlossen, um dann meiner Mutter zum wohl hundertsten Male zu sagen: "Frau Döring, Sie dürfen nicht so laut schimpfen, Sie können sich damit um Kopf und Kragen reden. Denken Sie wenigstens an Christian."
    Wenige Tage vor Weihnachten 1955 war meine Mutter in einem Viehwaggon von Sibirien bis Leipzig gefahren. Dort musste sie sich sofort auf dem Bahnsteig für eine Weiterfahrt nach Ost- oder Westdeutschland entscheiden. Sie zeigte eine Karte vom Roten Kreuz und darauf stand Serrahn - Mecklenburg. Meine Mutter hatte keine Ahnung, ob dies im Osten oder Westen lag. Sie wollte einfach nur zu ihren Eltern. Deutschen Boden hat sie 1955 in Leipzig auf dem Hauptbahnhof zum ersten Mal betreten. Erst in Leipzig hatte sie bemerkt, dass in einem der Waggons, die in der Sowjetunion zusammengekoppelt wurden, auch ihre Schwester war. Diese war ebenso wie meine Mutter zehn Jahre lang in einem Frauenlager. Meine Mutter in Sibirien bei minus 40 Grad und meine Tante in Tadschikistan bei plus 40 Grad. Beide hatten ihre Gesundheit und ihre Jugend einem Krieg geopfert, den sie selbst nicht wollten. Sie kamen nun in ein Land, das sie unfreundlich empfing und in dem sie ihre Lebensgeschichte bis zum Mauerfall nie laut erzählen durften.
     
    Daniel: Nach dem Krieg wurde über die Erlebnisse des Krieges auch im Westen nicht gesprochen. Es war kein offizielles Verbot, eher ein gesellschaftliches. Das Motto war: Nach vorne schauen. Erst im Rentenalter reden Menschen wie meine Oma andauernd von ihren traumatischen Erlebnissen.

    Christian: In geschützten Räumen reden die Bessaraber sehr viel von ihrem Leben in ihrer alten Heimat. Natürlich wurde über ihre Erlebnisse während der Flucht erzählt. Gern erinnere ich mich noch heute an die Besuche meiner Patentante. Meine Mutter, meine Patentante und ich schliefen dann in einem Raum und ich hörte viele Geschichten in ihrem schwäbischen Dialekt. Für mich junge sozialistische Persönlichkeit waren dies Erzählungen aus einer völlig fremden Welt.
    Oft habe ich versucht, in der mecklenburgischen Kirchenzeitung etwas über die Besseraber zu schreiben. Schließlich gab es eine ganze Menge davon in Mecklenburg und oftmals gehörten sie zu den treuesten Mitgliedern ihrer Kirchengemeinden. Aber so oft ich meine Beiträge auch veränderte, es gelang dem Chefredakteur Hermann Beste nie, so einen Artikel an der Abteilung Inneres vorbeiziehen zu lassen.
     
    Daniel: Okay. Da ich ja auch nicht ganz allwissend bin, frage ich an dieser Stelle noch mal: Wo genau liegt eigentlich Bessarabien? Und was ist die Geschichte der Deutschen dort?
     
    Christian: Als ich noch sehr klein war, ich glaube so in der 1. Klasse, da hatte unser Küster mitbekommen, dass meine Mutter aus Bessarabien stammt. Völlig neugierig und interessiert fragte er nach: „Sagen Sie mal, Frau Döring, die Araber sind ja eigentlich ein wenig dunkler im Gesicht. Bei Ihnen hat sich das wohl verloren? "
    Er hatte wie viele andere keinen blassen Schimmer von der Geschichte der Bessaraber. Im 18. und 19. Jahrhundert verließen sie ihre Heimat Schwaben und Württemberg und zogen auf Einladung der russischen Zarin oberhalb Rumäniens an das Schwarze Meer. Dort konnte der sehr gläubige Menschenschlag seine Frömmigkeit leben und bekam von der Zarin sogar noch einige Vorteile zugesichert. Sie brauchten nicht so viele Steuern zahlen und die jungen Männer mussten nicht zur Armee. Aber nach und nach verschwanden die Vorteile. So war mein Großvater beispielsweise in der zaristischen Armee und in der Armee Lenins. Seinen Erzählungen lauschte ich sehr gern. Am liebsten hörte ich von seiner Begegnung mit dem großen Staatsgründer

Weitere Kostenlose Bücher