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Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
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Lenin. In unserem Staatsbürgerkundeunterricht wurde Lenin glorifiziert wie der liebe Gott persönlich. Ganz anders hörte sich dagegen die Erzählung meines Großvaters an. Sie waren am Berg Karabach stationiert und Lenin hatte sich zur Inspektion der Truppe angesagt. Als er dann kam und die Soldaten ihn zu Gesicht bekamen, waren sie enttäuscht. Ich höre noch heute den Satz meines Großvaters: „Da kam der große Lenin. Groß war er nicht und reden konnte er auch nicht. Eigentlich war er ein kleiner, verhutzelter Kerl." Es fiel mir manchmal schon schwer, diese Geschichte niemandem erzählen zu dürfen.

7. Ein Gedicht entscheidet über mein Studium
     
    Christian: Irgendwann gegen Ende der 7. Klasse kam mein geliebter Deutschlehrer in die Klasse. Die Schulglocke läutete bereits zum Stundenbeginn. Mein Lehrer sagte mir: „Christian, du sollst dich sofort beim Direktor melden!" Es war ungewöhnlich, dass ein Schüler innerhalb der Schulstunde irgendwo hingeschickt wurde. Und ein Gespräch mit dem Genossen Direktor gab es auch nicht jeden Tag. Zunächst bekam ich einen Schreck, aber ich artiger Einzelgänger hatte mir nichts vorzuwerfen. Ich hatte nicht geraucht und nicht geschwänzt, also was wollte er von mir?
    Wie war das in deiner Schule? War da ebenfalls der Schulleiter der Überbringer von Tadel und Verweisen?
     
    Daniel: Au ja. Wenn ein Lehrer ein Exempel statuieren wollte, dann hat er dich zur Direktorin geschleppt. Der Witz war allerdings: So sehr die Direktorinnen – kleine Damen kurz vor der Rente – sich auch Mühe gaben, grimmig zu gucken, am Ende waren sie doch viel netter zu dir, als der Lehrer, der dich dorthin beordert hatte.
     
    Christian: Eine Woche zuvor war ich beim FDJ-Poetenseminar in unserer Bezirksstadt. Mein Deutschlehrer wusste, dass ich gern schreibe. Und er meinte: „Fahr doch mal dahin, vielleicht ist es was für dich!" Also gut, ich fuhr mit meinen Gedichten und Geschichten nach Schwerin. Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass nur streng rote FDJler dort das Sagen hatten. Ich lehnte mich also zurück und schwieg vorsichtshalber, um ja nichts Falsches zu sagen.
    An einem Vormittag dieses Wochenendes wurden wir gebeten, drei unserer Texte auf einen großen Tisch zu legen und dann einen jeweils fremden Text auszusuchen, den wir lesen und anschließend im Forum kommentieren und bewerten sollten. Leider entschied sich niemand für einen meiner Texte und ich wurde auch nicht aufgefordert, meinen ausgesuchten Text zu kommentieren. Schließlich wurde mir immer langweiliger, weil es nur um die Arbeiterklasse ging, die damit beschäftigt war, den Sozialismus aufzubauen, oder um den Klassenfeind, der im Westen saß und dem wir mit unseren sozialistischen Leistungen beweisen mussten, dass wir die bessere Klassengesellschaft sind und auf einem guten Weg zum Menschen neuen Typus‘ sind.
    Als ich dann im Sekretariat meiner Schule anklopfte, schlug mein Herz doch schon etwas höher. Ich hatte mir nichts vorzuwerfen, aber ohne Grund wurde man nicht zum Genossen Direktor gerufen. Frau Brandt, die Sekretärin, bat mich herein. Ich mochte diese ältere Dame. Sie war unsere Gartennachbarin und schimpfte im Garten über den Sozialismus wie ein Rohrspatz, in der Schule allerdings spielte sie eine andere Rolle. Heute sah sie ernst aus. Sie klopfte im Büro ihres Chefs an und schob mich wortlos hinein.
    Ohne große Vorrede legte mir der Schuldirektor einen Zettel vor die Nase, auf dem eins meiner Gedichte stand, die ich beim FDJ-Poetenseminar als einen von drei Texten ausgelegt hatte. Heute kann ich nicht mehr sagen, was der Inhalt dieses Gedichtes war. Aber keinesfalls war es etwas Christliches, auch nichts Sozialistisches. „Ist dieses Gedicht von dir, Christian?" hörte ich den Direktor fragen. Ich fühlte mich wie in einer dichten Nebelwand. Wie konnte es sein, dass dieses Gedicht plötzlich auf dem Tisch meines Schuldirektors lag? Trotz allen sozialistischen Geschwafels waren wir in Schwerin doch eine nette Truppe gewesen, niemand kannte mich zuvor und es war auch kein anderer aus Schwaan dabei gewesen. Wie kam also dieser Zettel zu meinem Direktor? Ich musste ziemlich trottelig vor ihm dastehen, denn er schob ungeduldig nach: „Nun sag schon, dass es dein Gedicht ist."
    „Ja, ich habe das Gedicht geschrieben." Der Direktor bat mich auf seinen Besucherstuhl, er setzte sich auf seinen Stuhl und meinte: „Du kannst gut schreiben, Christian. Gefällt mir, was du so in der Freizeit machst.

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