Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)
ich Geschichte oder Theologie studiert. Aber aus die Maus. Keiner kann sich vorstellen, wie selig ich war, als ich kurze Zeit später erfuhr, dass der Genosse Direktor Krebs hatte und wenige Monate darauf starb. Ich schämte mich nicht meiner Freude. Da es mit meinem Studium nun nichts werden konnte, weil ich keine Zulassung für die EOS bekam, musste ich also schnell zurück zu meinem Kindheitswunsch zurückkehren.
Daniel: EOS?
Christian: Ja, ja, wieder mal eine Abkürzung. Die Erweiterte Oberschule war die Voraussetzung, um zum Studium zugelassen zu werden. Heute würde man Gymnasium sagen. Ausschlaggebend um auf die EOS zu kommen, waren nicht nur die schulischen Leistungen, sondern auch die gesellschaftliche Einstellung. Es konnte also gut vorkommen, dass es da einen Schüler gab, der sich zensurenmäßig so zwischen Drei und Fünf bewegte und dennoch zur EOS zugelassen wurde. Vielleicht wurde später aus ihm ein hervorragender sozialistischer Nachwuchskader.
Übrigens gab es bei uns nur die Noten Eins bis Fünf. Bei euch auch?
Daniel: Nein, bei uns gab es die Noten Eins bis Sechs. Und wenn man den Notenschnitt nicht erreichte, dann half auch kein Betteln, um aufs Gymnasium zu kommen.
Christian: In unserer Straße gab es einen privaten Tischlermeister, der auch Lehrlinge ausbilden durfte. Der sagte sofort zu, mich zu nehmen und meine Zukunft war gesichert. Aber nur für wenige Wochen. Eines Tages sah ich, wie aus seiner Werkstatt seine wichtigsten Maschinen herausgeholt wurden. Später erfuhr ich, dass mein großer Freund – als Steppke durfte ich ihn sogar duzen und immer wenn ich Lust hatte, in seiner Werkstatt besuchen – es mit den Steuern nicht so genau genommen hatte. Nun musste er sie zurückzahlen. Da er aber nicht genug Geld auf seinem Konto hatte, weil er seine Finanzen als Investitionen in die Firma gesteckt hatte, wurden seine Maschinen gepfändet. Ohne Maschinen allerdings konnte er keine Lehrlinge mehr ausbilden und ohne Maschinen konnte er auch fast keine Aufträge mehr annehmen, so waren an diesem Tag gleich zwei Karrieren beendet.
Wieder musste ich mir etwas Neues suchen. Ich hörte von einem privaten Malermeister und ging sofort zu ihm. Selbstverständlich beichtete ich ihm, dass meine schulischen Noten drastisch in den Keller gelaufen waren. Er meinte darauf: „Deine Noten interessieren mich nicht, arbeiten musst du können." Und so wurde ich mit Abschluss meiner zehnten Klasse Maler. Was hast du eigentlich nach der Schule so getrieben?
Daniel: Na ja, nach der Realschule bin ich aufs Gymnasium und nach dem Abitur habe ich natürlich den Zivildienst absolviert. Der Wehrdienst war damals noch Pflicht, also blieb nur Verweigern und dann eben ab ins Männerwohnheim ins Pförtnerhäuschen.
8. Krieg: Äthiopien - Somalia
Christian: Vom Leben in zwei Welten in der DDR habe ich dir bereits eine ganze Menge erzählt. Aber ich weiß nicht genau, ob es mir gelungen ist, genau das Gefühl und die Anspannung, auch die Angst zu vermitteln, die immer dann aktuell wurde, wenn man seine Meinung äußerte, die nicht offizielle Parteimeinung war.
In der Schule bekamen wir beispielsweise vorgegaukelt, dass der real existierende Sozialismus weltweit auf dem Vormarsch ist. Besonders in Afrika färbte sich die im Klassenzimmer aufgehängte Weltkarte immer mehr rot. Am Horn von Afrika wurde der äthiopische Kaiser vertrieben und Äthiopien wurde zu unserem sozialistischen Bruderstaat erklärt. Auch das Nachbarland Somalia war sozialistisch geworden. Natürlich wurden solche Beispiele bis zur Langeweile im Staatsbürgerkundeunterricht, aber auch in Geschichte oder Geografie erwähnt. Immer wieder ging es um den weltweiten Wettlauf zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Du musst während deiner Schulzeit doch hin und wieder traurig gewesen sein, weil der Sozialismus, dein Klassenfeind, sich so prächtig entwickelte, oder?
Daniel: Nicht wirklich. Auf unserer Seite des Eisernen Vorhangs hatte man in den 80ern nicht das Gefühl, dass der Sozialismus sich noch weiter ausbreiten würde. Und wir hatten auch keine Karten, auf denen eingezeichnet war, welche Staatsform in welchem Land herrschte.
Christian: Sehr geschickt drückten sich aber die Lehrer vor einem Thema. Wer, wie ich, genau Ost- und Westnachrichten verfolgte, dem war klar, dass sozialistische Staaten unterschiedliche Wege auf dem Weg zum Kommunismus einschlugen. So gingen Ungarn, China und die Sowjetunion nicht strikt
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