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Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
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wurden in Fächern wie „Sozialistisches Recht" und „Farbenlehre", aber auch in „Technisches Zeichnen" und dem in allen Berufen ungeliebten Fach „Marxismus/Leninismus" unterrichtet. In den Pausen unterhielten wir Schüler uns über die Arbeiten, die wir in den Betrieben bislang verrichten durften. Was war ich glücklich, dass ich eine Lehrstelle in einem Privatbetrieb abbekommen hatte. Die Lehrlinge aus den Kombinaten und VEB klagten oft über sehr einseitige Arbeiten, manchmal aber auch über tagelanges Rumsitzen in den Betrieben, weil keine Arbeit da war, was ich nicht verstehen konnte, in meiner privaten Malerfirma gab es immer mehr als genug Arbeit.
     
    Daniel: Während meiner Berufsschulzeit als Mediengestalter für Bild und Ton gab es neben den technischen Fächern auch Fächer wie Medienrecht. Das hatte aber direkt mit unserem Beruf zu tun. Bei sozialistischem Recht ging es wahrscheinlich um Rechtslehre im Allgemeinen? Und muss ich mir den „Marxismus/Leninismus"-Unterricht wie Gemeinschaftskunde vorstellen? Was habt ihr da durchgenommen?
     
    Christian: Na, du bist gut. Was fragst du mich nach Gemeinschaftskunde? In „ML", wie es bei uns abgekürzt wurde, hörten wir dieselbe Laier wie in der Schule im Staatsbürgerkundeunterricht. Also die SED hat immer recht und „Ohne Gott und Sonnenschein" bringen wir die Ernte ein.
    Mein Anfangsgehalt im 1. Lehrjahr betrug 90 Mark der DDR. Aber da Vergleiche heute sehr schlecht zu ziehen sind, fang ich damit lieber gar nicht erst an. Auf alle Fälle gefiel es mir in meiner Firma sehr gut und ich bestand meine Gesellenprüfung mit der Note „2". Der Meister übernahm mich und damit war klar, dass ich gern bei ihm bleiben würde. Mit monatlich 700 bis 800 Mark verdiente ich ganz gut.
     
    Daniel: Man kann zumindest sagen, dass der Unterschied zwischen dem Gehalt im ersten Lehrjahr und dem Gesellengehalt recht groß war. Das war ja fast nur ein Zehntel eines normalen Gehalts. Wie viel konnte man sich mit 90 Ost-Mark im Monat leisten? Was, wenn du hättest alleine wohnen müssen?

    Christian: Tja, was konnte man sich für 90 Ost-Mark kaufen? Sehr gute Frage. Mein Hirn lässt nach. In der Kneipe bekam ich für 49 Pfennig ein Glas Bier und eine normale Altbauwohnung hat eine Monatsmiete von 20 Mark gekostet.
    Nach etwa zwei Jahren erhielt ich zusammen mit zwei anderen Gesellen den Auftrag, den Betriebskindergarten eines großen VEB zu malern. Zunächst wunderten wir uns ein wenig, weil wir wussten, dass große Betriebe immer Betriebshandwerker hatten, also auch einen Maler. Wir begannen mit unserer Arbeit und hin und wieder kam der Technische Direktor des VEB, um uns bei der Arbeit zu besuchen. Eines Tages nahm er mich beiseite und fragte mich: „Sagen sie mal, haben sie nicht Lust, bei uns als Betriebsmaler anzufangen?"
     
    Daniel: Nur kurz. Was war noch mal VEB? Nein, ich rate mal: Volkseigener Betrieb?

    Christian: Glückwunsch! Du lernst dazu.
    Zunächst wehrte ich ab und konterte: „Jetzt hab ich 800 Mark, ich weiß ja gar nicht, was ich bei Ihnen verdiene." Der Genosse Direktor machte große Augen und antwortete: „Was? Euer Meister lässt euch so schuften und schickt euch mit 800 Mark nach Hause? Also bei mir müsstest du nicht so viel arbeiten und hättest jeden Monat garantiert über 1000 Mark!"
    Glauben konnte ich das nicht. Ich erbat mir eine Woche Bedenkzeit. Während dieser Woche ging ich des Öfteren auf Erkundungsgang durch den VEB. Eine Bekannte war dort Sekretärin und fragte mich: „Wie viele Tage brauchst du denn, um ein Büro zu malern?" Ich antwortete ihr: „Na, wenn ich morgens gleich um Sieben loslegen kann, bin ich um 16.15 Uhr zum Feierabend fertig." Sie machte große Augen und erklärte mir, wie der Betriebshandwerker bisher arbeitete: „Der kommt montags Vormittag und lässt sich mal kurz sehen und wäre vielleicht Freitagmittag fertig."
    Dann machte ich mich auf den Weg zurück zu meinen Handwerkerkollegen. Der VEB war eine Fischfabrik, die aber auch Maler, Schlosser, Tischler und Maurer beschäftigte, um das Werk am Laufen zu halten. Was ich in den Werkstätten zu sehen bekam, schockierte mich dann mächtig. Die Betriebshandwerker hatten keine Arbeit, wenig Material und jede Menge Alkohol. Der einzige Maler des VEB war alkoholkrank. Morgens um 7 Uhr kam er so zitternd zur Arbeit, dass ich oft Angst um ihn hatte. Nachdem er einige Schlucke Nitroverdünnung zu sich genommen hatte, ging es oft bis 9 Uhr. Dann holte er sich aus der

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