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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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durchschneiden?«
    »Nein! Nein! Wenn dir jemand auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, darfst du ihn nicht mehr töten.«
    Die Graue Horde starrte den ehemaligen Lehrer an.
    »So verlangt es die Zivilisation«, fügte der hinzu.
    »Du hast doch gesagt, die Burschen hätten überhaupt keine Waffen!« keifte Kriecher der Unhöfliche.
    »Ja.« Herr Zervelatwurst schauderte ein wenig. »Deshalb dürft ihr sie nicht umbringen.«
    »Seid ihr verrückt? Ihr habt einen Zettel, auf dem steht, daß ihr verrückt seid, nicht wahr?«
    Cohen kratzte sich das stoppelige Kinn. Die Soldaten beobachteten ihn mit wachsender Besorgnis. Sie waren an ungewöhnliche, grausame Strafen gewöhnt, aber nicht an vorher stattfindende Diskussionen.
    »Lehrer…«, sagte er gedehnt. »Du hast keine große militärische Erfahrung, oder?«
    »Abgesehen von der vierten Klasse, meinst du? Nein. Wie dem auch sei: Die Regeln der Zivilisation sind ziemlich klar. Tut mir leid. Ihr habt mich gebeten, euch…«
    »Nun, ich stimme dafür, daß wir ihnen jetzt sofort die Kehlen durchschneiden«, sagte der Junge Willie. »Es gefällt mir nicht, diese Leute gefangenzunehmen. Ich meine, wer soll ihnen denn zu essen geben und so?«
    »Ich fürchte, das ist eure Pflicht.«
    » Unsere Pflicht! Von wegen! Ich stimme dafür, daß wir sie zwingen, ihre eigenen Augen zu essen. Wer damit einverstanden ist, hebt die Hand.«
    Die Horde brummte zustimmend; zu den erhobenen Händen gehörte auch die von Neun Orangenbäume.
    »Wofür stimmst du, Junge?« fragte Cohen.
    »Bitte, Herr… erlaubt Ihr mir, zur Toilette zu gehen?«
    »Jetzt hört mir mal gut zu«, sagte Cohen laut. »Das Abschlachten und Niedermetzeln ist heute nicht mehr so wie früher, klar? Dieser Ansicht ist zumindest Herr Zervelatwurst, und der ist imstande, Wörter wie ›Marmelade‹ zu buchstabieren, was man von euch nicht behaupten kann. Nun, wir wissen, warum wir hier sind, und wir sollten von Anfang an den richtigen Weg einschlagen.«
    »Vorhin hast du den Wächter dort umgebracht«, sagte Kriecher der Unhöfliche.
    »Ich versuche noch, mich an die neue Art zu gewöhnen«, erwiderte Cohen. »Man muß sich ganz langsam an die Zivilisation heranschleichen.«
    »Ich schlage vor, daß wir diesen Leuten den Kopf abhacken. So hab ich’s mit den verrückten Dämonenpriestern von Iieeh gemacht!«
    Der kniende Wächter hob erneut die Hand.
    »Bitte, Herr?«
    »Ja?«
    »Ihr könntet uns in der Zelle dort einsperren. Dann fallen wir niemandem zur Last.«
    »Gute Idee«, sagte Cohen. »Nicht übel, Junge. Behältst immer einen klaren Kopf, selbst in einer schwierigen Situation. Sperrt die Burschen ein.«
    Dreißig Sekunden später humpelte die Graue Horde aus dem Wachhaus.
    Die Soldaten blieben in einer kleinen, stickigen Zelle zurück.
    Schließlich fragte einer: »Was waren das für Leute?«
    »Ich glaube, es könnten Vorfahren gewesen sein.«
    »Ich dachte immer, man muß tot sein, um ein Vorfahr zu sein.«
    »Der im Rollstuhl sah tot aus. Bis er Vier Weiße Füchse mit dem Schwert gestochen hat.«
    »Sollen wir um Hilfe rufen?«
    »Man könnte uns hören.«
    »Ja, aber wenn wir nicht rufen, sitzen wir hier drin fest. Die Wände sind sehr dick, und die Tür läßt sich nicht so ohne weiteres aufbrechen.«
    »Gut.«
     
    Irgendwo in einer Gasse blieb Rincewind stehen. Er hatte nicht zurückgesehen, um festzustellen, ob man ihn verfolgte. Es stimmte tatsächlich: Hier genügte ein kurzer Sprint, um in die Freiheit zurückzukehren. Vorausgesetzt natürlich, man wußte von dieser Möglichkeit.
    Die Freiheit schloß natürlich auch das uralte Recht ein, langsam zu verhungern. Seit der letzten Mahlzeit war eine halbe Ewigkeit vergangen.
    Jemand schien seine Gedanken zu erraten und rief:
    »Reiskuchen! Reiskuchen! Leckerer Reiskuchen! Tee! Hundert Jahre alte Eier! Eier! Holt sie euch, solange sie alt sind! Reiskuchen! Reis… Ja, was ist denn?«
    Ein älterer Mann trat an den Verkäufer heran.
    »Schnapphala-san! Das Ei, das du mir verkauft hast…«
    »Was ist damit, ehrenwerter Chef?«
    »Würdest du mal dran riechen?«
    Der Verkäufer roch daran.
    »Ah, ein lieblicher Duft«, sagte er.
    »Lieblich?« wiederholte der Kunde. » Lieblich ? Das Ei ist praktisch frisch!«
    »Mindestens hundert Jahre alt, Shogun«, erklärte der Verkäufer fröhlich. »Sieh dir nur die Farbe der Schale an. Richtig schön schwarz…«
    »Die Farbe läßt sich abreiben!«
    Rincewind hörte zu. Vielleicht war etwas dran an der These,

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