Echt zauberhaft
hast, bist du bestimmt müde. Und du müßtest gegen
ausgeruhte Angreifer antreten.«
»O nein«, widersprach Cohen. »Meine Gegner wären ebenfal s müde.«
»Wieso?«
»Weil sie bergauf laufen müßten, um mich und meine Freunde zu er-
reichen.«
»Das ist richtige Logik, jawohl«, sagte Kriecher anerkennend.
Cohen klopfte dem verblüfften Lehrer auf den Rücken.
»Sei unbesorgt. Wir haben das Reich mit deinem Plan bekommen; mit
unserem behalten wir es. Du hast uns die Zivilisation gezeigt; jetzt zeigen wir dir die Barbarei.«
Cohen ging einige Schritte und drehte sich dann um. In seinen Augen
funkelte es. »Barbarei? Ha! Wenn wir Leute töten, sehen wir ihnen dabei
in die Augen, und wir würden nicht zögern, ihnen im Jenseits ein Bier zu
spendieren, nichts für ungut. Ich kenne keine Barbaren, die Menschen in
kleinen Zimmern langsam zerschneiden oder Frauen foltern, damit sie
hübsch sind, oder Essen vergiften. Zivilisation? Wenn das Zivilisation
ist, kannst du sie dir dorthin stecken, wo die Sonne nicht scheint!«
»Wasisn?«
»Er meint, STECK’S DORTHIN, WO DIE SONNE NICHT
SCHEINT, Polterer.«
»Ah, kenne den Ort.«
»Bei der Zivilisation geht es um viel mehr«, protestierte Herr Zervelat-
wurst. »Sie bedeutet… Musik, Literatur, das Konzept der Gerechtigkeit,
die Ideale von…«
Die Bambustür glitt beiseite. Die Horde drehte sich wie ein Mann mit
knarrenden Gelenken um und hob ihre Waffen.
Mehrere Männer traten ein. Sie waren größer und viel besser gekleidet
als Bauern, bewegten sich mit dem Selbstbewußtsein von Personen, de-
nen man normalerweise nicht in den Weg trat. Vor ihnen schritt ein zit-
ternder Bediensteter, einen Stock in der Hand, an dem eine rote Fahne
hing. Eine Schwertspitze im Rücken zwang ihn, noch etwas weiter vor-
zutreten.
»Eine rote Fahne?« flüsterte Cohen.
»Sie signalisiert, daß die Besucher verhandeln möchten«, erklärte Sechs
Wohltätige Winde.
»Es ist so ähnlich wie unsere weiße Kapitulationsfahne«, sagte Herr
Zervelatwurst.
»Hab nie davon gehört«, erwiderte Cohen.
»Es bedeutet, ihr dürft eure Gegner erst töten, wenn sie bereit sind.«
Herr Zervelatwurst versuchte, nicht auf das Flüstern hinter ihm zu
achten.
»Warum laden wir sie nicht zum Essen ein und bringen sie al e um, wenn sie betrunken sind?«
»Du hast den Mann gehört. Es sind insgesamt siebenhunderttausend.«
»Na schön, dann muß es etwas Einfaches mit Nudeln geben.«
Zwei Lords traten mit langen Schritten in die Mitte des Saals. Cohen
und Herr Zervelatwurst gingen ihnen entgegen.
»Moment mal«, sagte Cohen und packte Rincewind am Kragen, als der
zurückzuweichen versuchte. »Du bist ein aalglatter Bursche und neigst
dazu, die richtigen Worte zur richtigen Zeit zu sprechen. Deshalb
kommst du mit.«
Lord Hong begegnete ihnen mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes,
der von seinen Vorfahren mit der Fähigkeit ausgestattet worden war, auf
al es hinabzusehen.
»Ich bin Lord Hong, der Großwesir des Kaisers. Hiermit befehle ich
euch, diesen Saal unverzüglich zu verlassen und eure gerechte Strafe zu
erwarten.«
Herr Zervelatwurst wandte sich an Cohen.
»Von wegen«, sagte der barbarische Held.
Herr Zervelatwurst versuchte, sich etwas einfal en zu lassen.
»Äh… wie sol ich es ausdrücken? Dschingis Cohen, Anführer der
Grauen Horde, erweist Lord Hong die Ehre, aber…«
»Sag ihm, er kann mich mal«, brummte Cohen.
»Nun, Lord Hong… du hast vermutlich verstanden, mit welcher al -
gemeinen Einstellung man dir an diesem Ort begegnet.«
»Wo sind die übrigen Barbaren, Bauer?« fragte der Großwesir.
Rincewind beobachtete Herrn Zervelatwurst. Diesmal schienen dem
früheren Lehrer die Worte zu fehlen.
Der Zauberer wol te weglaufen, doch wahrscheinlich hatte Cohen
recht. So verrückt es auch klang: Die Nähe des Hordenoberhaupts bot
mehr Sicherheit. Die Flucht brachte ihn früher oder später näher zu
Lord Hong.
Der glaubte, daß es noch andere Barbaren gab…
»Ich sage euch dies und nur dies«, teilte Lord Hong der Grauen Horde
mit. »Wenn ihr die Verbotene Stadt jetzt sofort verlaßt, könntet ihr zu-
mindest auf einen schnel en Tod hoffen. Anschließend trägt man eure
Köpfe und die übrigen wichtigen Körperteile durch die Städte des Rei-
ches, auf daß al e von der schrecklichen Strafe erfahren.«
»Strafe?« wiederholte Herr Zervelatwurst.
»Für die Ermordung des Kaisers.«
»Wir haben keinen Kaiser ermordet«,
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