Echt zauberhaft
sagte Cohen. »Oh, ich habe
nichts dagegen, Kaiser zu töten, aber in diesem besonderen Fal trifft uns keine Schuld.«
»Er wurde vor einer Stunde in seinem Bett umgebracht«, stellte Lord
Hong fest.
»Nicht von uns«, erwiderte Herr Zervelatwurst.
»Dein Befehl hat ihn das Leben gekostet.« Rincewinds Zeigefinger deu-
tete auf Lord Hong. »Aber das ist gegen die Regeln, und deshalb sol te
alles so aussehen, als wäre die Rote Armee dafür verantwortlich.«
Lord Hong starrte ihn an, als sähe er ihn jetzt zum ersten Mal – ohne
sich darüber zu freuen.
»Unter den gegebenen Umständen bezweifle ich, daß euch jemand
glauben würde«, sagte Lord Hong.
»Was passiert, wenn wir aufgeben?« erkundigte sich Herr Zervelat-
wurst. »Ich frage aus reiner Neugier.«
»Dann sterbt ihr ganz langsam, auf… interessante Weise.«
»Das ist die Story meines Lebens«, sagte Cohen. »Ich bin stets sehr langsam gestorben, auf interessante Weise. Nun, wie geht’s weiter? Gemetzel
in den Straßen? Kampf von Haus zu Haus? Eine wilde Schlägerei?«
»In der richtigen Welt kämpfen wir«, erwiderte einer der Lords. »Wir rau-fen nicht miteinander wie Barbaren. Unsere Heere treten auf der Ebene
vor der Stadt gegeneinander an.«
»Treten? Wer soll treten?«
»Er meint, die entscheidende Schlacht sol dort draußen stattfinden,
Cohen.«
»Ah, zivilisiertes Gerede. Wann?«
»Im Morgengrauen.«
»In Ordnung«, sagte Cohen. »Dann bekommen wir wenigstens Appetit
fürs Frühstück. Gibt es sonst noch etwas?«
»Wie groß ist deine Streitmacht, Barbar?«
»Oh, du würdest gar nicht glauben, wie groß sie ist«, entgegnete Cohen,
was vermutlich der Wahrheit entsprach. »Wir haben Länder überrannt.
Wir haben ganze Städte von den Landkarten getilgt. Wo meine Streit-
macht gewesen ist, wächst kein Gras mehr.«
»Das stimmt«, bestätigte Herr Zervelatwurst.
»Wir haben nie von euch gehört!« stieß der Kriegsherr hervor.
»Ja«, brummte Cohen. »So gut sind wir.«
»Was die Streitmacht angeht, gibt es noch einen interessanten Punkt«,
sagte jemand.
Alle drehten sich zu Rincewind um, der fast ebenso überrascht war,
seine eigene Stimme zu hören. Hinter seiner Stirn war gerade eine Idee
gewachsen und erblühte nun.
»Ja?«
»Vielleicht fragt ihr euch, warum ihr nur die… Generäle seht«, fuhr
Rincewind langsam fort und staunte darüber, wie sich die Worte anein-
anderreihten. »Der Grund dafür ist: Unsere Krieger sind… unsichtbar.
Äh… ja. Es sind Geister. Das dürfte al gemein bekannt sein.«
Cohen starrte ihn verblüfft an.
»Blutsaugende Geister, um ganz genau zu sein«, sagte Rincewind. »Da-
von wimmelt es jenseits der Großen Mauer.«
Lord Hong schnaufte verächtlich, aber die Mienen der anderen
Kriegsherrn ließen folgendes durchblicken: Sie vermuteten, daß die Leu-
te jenseits der Großen Mauer aus Fleisch und Blut bestanden; gleichzei-
tig verließen sie sich darauf, daß Millionen von Untertanen an die Geister
glaubten.
»Lächerlich«, erwiderte einer von ihnen. »Ihr seid keine unsichtbaren blutsaugenden Geister.«
Cohen öffnete den Mund und zeigte diamantene Zähne.
»Stimmt«, sagte er. »Wir gehören nämlich zur sichtbaren Sorte.«
»Ha!« entfuhr es Lord Hong. »Spart euch diesen Unfug! Ob Geister
oder nicht – wir besiegen euch!«
»Nun, das lief besser, als ich dachte«, meinte Herr Zervelatwurst, als
die Kriegsherrn den Saal verließen. »War das ein Versuch in psychologi-
scher Kriegführung, Rincewind?«
»Ach, das steckte dahinter?« fragte Cohen. »Darüber weiß ich Bescheid.
In der Nacht vor dem Kampf hämmert man dauernd auf die Schilde,
damit der Feind nicht schlafen kann, und man singt: ›Morgen früh
schneiden wir euch die Eier ab!‹«
»So in der Art«, entgegnete Herr Zervelatwurst diplomatisch. »Aber ich
fürchte, es klappt nicht. Lord Hong und die übrigen Kriegsherrn sind zu
intelligent. Schade, daß wir diesen Trick nicht bei den einfachen Soldaten
ausprobieren können.«
Leise, hel e Stimmen ertönten. Sie drehten sich um und beobachteten,
wie man den größtenteils minderjährigen Kader der Roten Armee her-
einführte. Zu der Gruppe gehörte auch Schmetterling; sie bedachte Rin-
cewind mit einem schiefen Lächeln.
Er hatte sich immer aufs Weglaufen verlassen. Aber vielleicht war es
manchmal nötig, stehenzubleiben und zu kämpfen – wenn auch nur, weil
man nicht mehr weglaufen konnte.
Wie dem auch sei… er konnte nicht
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