Echt zauberhaft
erkennen, daß es mein Versteck ist.«
Im Achatenen Reich bildete die Kunst des Kriegs das Fundament für die
Diplomatie.
Der Krieg war ganz offensichtlich notwendig, war gewissermaßen der
Eckstein für das Regieren. Er lieferte dem Reich seine Oberhäupter.
Auswahlprüfungen sorgten für Nachschub an Bürokraten und Beamten.
Die Kriegskunst blieb den Mächtigen vorbehalten. Viel eicht war Krieg
auch nur eine andere Art von Auswahlprüfung: Wenn man verlor, be-
kam man kaum Gelegenheit, es im nächsten Jahr noch einmal zu versu-
chen.
Natürlich mußte es auch für den Krieg Vorschriften geben. Andern-
fal s wäre al es nur eine barbarische Rauferei gewesen.
Deshalb war vor Jahrhunderten die »Kunst des Krieges« geschrieben
worden – ein Regelwerk. Einige Regeln bezogen sich auf Einzelheiten:
Innerhalb der Verbotenen Stadt durfte nicht gekämpft werden, und die
Person des Kaisers blieb in jedem Fall sakrosankt. Andere waren allge-
meine Richtlinien für gute, zivilisierte Kriegführung. Sie betrafen Positi-
on, Taktik, die Durchsetzung von Disziplin, die richtige Organisation
von Nachschublinien und so weiter. Das Buch der Kriegskunst be-
schrieb optimale Verhaltensweisen für alle Eventualitäten. Seine Existenz
hatte dafür gesorgt, daß der Krieg im Reich wesentlich vernünftiger geworden war. Für gewöhnlich bestand er aus kurzen Phasen der Aktivität,
denen lange Pausen folgten, in denen Offiziere und Soldaten im Stich-
wortverzeichnis suchten.
Niemand erinnerte sich an den Autor. Einige glaubten, das Buch sei
von Eins Tsu Sung geschrieben worden; andere hielten Drei Su Sung für
den Verfasser. Das erste Prinzip hatte vermutlich ein unbesungenes Ge-
nie geschrieben bzw. gemalt: Wer den Feind kennt, der kennt sich selbst.
Lord Hong glaubte, sich selbst recht gut zu kennen, und es fiel ihm nie
schwer, seine Feinde zu identifizieren. Außerdem achtete er darauf, daß
seine Feinde am Leben und gesund blieben.
Zum Beispiel die Lords Sung, Fang, Tang und McSweeney: Hong
schätzte sie sehr. Vor al em wegen ihrer Adäquatheit. Sie verfügten über
adäquate militärische Fähigkeiten, was bedeutete: Sie waren mit den Fünf
Regeln und Neun Prinzipien der Kriegskunst vertraut. Sie schrieben ad-
äquate Gedichte und verstanden es, mit den Intrigen in ihren eigenen
Reihen fertig zu werden. Gelegentlich schickten sie Mörder und Attentä-
ter, die sich als geschickt genug erwiesen, Lord Hongs Interesse zu sti-
mulieren und ihn zu unterhalten.
Er bewunderte auch ihren adäquaten Verrat. Eigentlich war völ ig klar,
daß Lord Hong der nächste Kaiser sein würde, trotzdem ließen die ande-
ren Lords nicht davon ab, um den Thron zu ringen. Zumindest offiziel .
Insgeheim hatte jeder Kriegsherr Lord Hong Treue geschworen, auf-
grund adäquater Intelligenz: Sie alle wußten, was geschehen würde, wenn
sie ihm ihre Loyalität vorenthielten. Natürlich mußte es Kämpfe geben
um der Tradition willen. Aber in Lord Hongs Herzen gab es einen Platz
für Heerführer, die bereit waren, ihre eigenen Leute zu verraten.
Den Feind kennen… Lord Hong hatte beschlossen, sich einen sehr
würdigen Feind zuzulegen. Er ließ Bücher aus Ankh-Morpork kommen
und sich über das Geschehen in der Stadt informieren. Es gab… Mög-
lichkeiten. Spione brachten Nachrichten und Neuigkeiten. Derzeit wußte
die Stadt noch nicht, daß sie Lord Hongs Feind war, und solche Feinde
hielt er für besonders wünschenswert.
Während er sich eingehender mit Ankh-Morpork befaßte, staunte er
zuerst und empfand dann eine Mischung aus Faszination und Bewunde-
rung.
Dort hätte ich geboren sein sol en, dachte Hong, während er die ande-
ren Mitglieder des Ruhigen Rates musterte. Mit jemandem wie Lord Ve-
tinari Schach zu spielen… Zweifel os blickt er vor dem ersten Zug drei
Stunden lang aufs Schachbrett…
Er wandte sich an den Protokolleunuchen des Rates.
»Können wir jetzt weitermachen?« fragte er.
Der Mann beleckte seinen Pinsel. »Ich bin fast fertig, o Lord.«
Lord Hong seufzte.
Verdammte Kalligraphie! Sie mußte verändert werden! Wenn die
Schriftsprache aus siebentausend Zeichen bestand, dauerte es einen gan-
zen Tag, ein aus dreizehn Silben bestehendes Gedicht über ein weißes
Pony zu schreiben, das durch wilde Hyazinthen trabte. Daran gab es
prinzipiel nichts auszusetzen, und entsprechende Gedichte konnte nie-
mand besser schreiben – malen – als Lord Hong. Aber in Ankh-
Morpork
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