Echte Biester: Roman (German Edition)
immer zum Abendessen.«
Sie kauerten am Lagerfeuer, das allmählich erlosch. Zum Lesen hatten sie die Taschenlampe benutzt. Mickey Cray schnarchte im Zelt vor sich hin.
»Ich seh mir seine Sendung jede Woche an«, sagte Tuna, »und wusste überhaupt nicht, dass das Ganze vorher ausgearbeitet wird. Ich dachte immer, dass all diese Sachen … na ja … einfach so passieren.«
Wahoo musste sich in Erinnerung rufen, dass viele Menschen keine Ahnung hatten, wie Natursendungen produziert wurden. Viel Zeit und viel Geld wurden darauf verwendet, dass alles spontan und echt wirkte, obwohl die Szenen minutiös im Voraus geplant wurden.
»Derek schlägt sich wahrscheinlich gerade im Hotel mit einem großen Steak den Bauch voll«, sagte Tuna mürrisch.
»Und mit einem Riesenstück Torte.«
»Warum steht dann im Drehbuch, dass er ein Tier umbringen muss, um was zu essen zu haben?«
»Weil das eines der Dinge ist, für die er berühmt ist«, erklärte Wahoo.
Tuna stützte das Kinn in die Hände. »Immer wenn er im Fernsehen eine kleine Maus oder einen Salamander verschlungen hat, hab ich gedacht, dass er wirklich am Verhungern sei. Bin ich blöd, oder was?«
»Du bist nicht blöd. Was hinter den Kulissen vor sich geht, hängen die ja nicht gerade an die große Glocke.«
Wahoo stand auf und reckte sich. Er war noch immer von ihrem bescheidenen, aus Hotdogs, schwarzen Bohnen und Brötchen bestehenden Abendessen satt. Zum Nachtisch hatte Mickey Kekse verteilt.
»Diesen Schwindel wird dein Vater doch nicht mitmachen, oder?«, fragte Tuna. »Ich meine, dass eine arme Schlange oder Kröte gefangen wird, bloß damit Derek sie sich vor der Kamera braten kann.«
»Völlig ausgeschlossen, dass Pop da mitziehen würde.«
»Gut!«
»Es ist schon spät. Ich geh schlafen«, sagte Wahoo.
»Ich bleib noch ein bisschen auf und les weiter im Drehbuch.«
»Willst du dir das wirklich antun?«
Tuna nickte. In ihren braunen Augen, in denen sich der Schein des Feuers widerspiegelte, stand ein entschlossener Ausdruck.
Wahoo gab ihr die Taschenlampe und das Drehbuch. »Denk dran, das ist alles nur Show.«
»Nicht für mich«, erwiderte sie.
Wenn Derek Badger sich aufregte, verlor er manchmal seinen unechten australischen Akzent.
»Das nennen Sie Hummer?«, schnauzte er den Kellner an, der ihm sein Abendessen aufs Hotelzimmer gebracht hatte. »Ich hab schon Garnelen gegessen, die größer waren!«
Der Mann murmelte eine Entschuldigung, deckte das Gericht mit einer silbernen Glocke ab und schob den Servierwagen aus dem Zimmer.
»Und das nächste Mal bringen Sie mir gefälligst einen richtigen Hummer aus Maine«, blaffte Derek ihm hinterher.
Der Star von Expedition Überleben! aalte sich im Whirlpool, von dem aus er durch ein Panoramafenster auf die Biscayne Bay und die Skyline von Miami blicken konnte. Den ganzen Abend hatte er über die Everglades-Folge nachgedacht – darüber, wie man sie zur haarsträubendsten Episode machen konnte, die je in einer Realityshow gezeigt worden war.
Derek war stark motiviert, etwas Spektakuläres zu tun. Sein Vertrag mit dem Untamed Channel lief bald aus, und sein Agent versuchte bereits, einen neuen Dreijahresvertrag und eine wesentlich höhere Gage für ihn auszuhandeln.
Und Letzteres brauchte Derek dringend. Er hatte sich nämlich eine dreißig Meter lange Jacht gekauft, die gerade auf einer Werft in West Palm Beach aufgemotzt und so umgebaut wurde, dass sie über ein Billardzimmer, ein kleines Kino und einen Fitnessraum verfügte, den Derek wahrscheinlich nie benutzen würde. Das war ein extrem kostspieliges Projekt, noch kostspieliger, als er angenommen hatte. Allein der neue Name auf der Bordwand des Schiffs – er wollte es Sea Badger nennen – kostete achtzehnhundert Dollar.
Diese Knauser vom Sender hatten ihm einen neuen Vertrag mit zehnprozentiger Honorarerhöhung angeboten, was Derek für höchst beleidigend hielt und was auch bei Weitem nicht ausreichte, um den Lebensstil aufrechtzuerhalten, der einem internationalen Fernsehstar (und Jachtbesitzer) angemessen war. Deshalb musste die Everglades-Folge das Beste werden, was er je gemacht hatte, ein echter Blockbuster. Dann würde den Bossen vom Sender gar nichts anderes übrig bleiben, als auf Dereks extravagante Forderungen einzugehen, weil sonst die Gefahr bestand, dass er von der Konkurrenz abgeworben wurde.
Die Szene mit dem Alligator Alice war wunderbar geraten, richtig Furcht einflößend – inzwischen hatte Derek sich den Clip
Weitere Kostenlose Bücher