Echte Biester: Roman (German Edition)
durch die Bäume das Lager des Filmteams sehen. Die Lichtung war hell erleuchtet, da man zahlreiche kitschige Bambusfackeln aufgestellt hatte. Eine junge Frau von der Catering-Firma war gerade dabei, auf einem großen Herd aus rostfreiem Stahl T-Bone-Steaks zu braten. Der Regisseur, die Kameraleute und die Tontechniker saßen im Halbkreis auf Klappstühlen, tranken Bier, erschlugen Insekten und lachten laut.
»Mach die Taschenlampe aus«, flüsterte Tuna Wahoo zu, »und lass uns näher rangehen.«
»Kommt nicht infrage. Wir wollen doch nicht spionieren.«
»Wir spionieren nicht, Lance, wir observieren.«
Sie krochen in ein Kokospflaumendickicht und robbten vorwärts. Die Filmleute erzählten abwechselnd Geschichten. Wahoo konnte zwar nicht jedes Wort verstehen, bekam aber das Wesentliche mit. Selbst die Frau von der Catering-Firma kicherte in einem fort.
»Über wen reden sie?«, fragte Tuna.
»Dreimal darfst du raten.«
»Doch nicht etwa über Mr. Badger?«
»Denke schon.«
Sie machten halt, damit sie besser lauschen konnten. In der nächsten Geschichte, die der Regisseur unter brüllendem Gelächter zum Besten gab, ging es um eine Szene in Nahaufnahme, bei der Derek versehentlich einen lebendigen Regenwurm durch die Nase eingeatmet hatte.
»Die stellen das so dar, als sei er ein Volltrottel«, flüsterte Tuna empört.
»Du weißt doch, wie die Leute reden, wenn der Boss nicht da ist.«
Tuna hatte noch nicht genug von Derek mitbekommen, um die Wahrheit zu kennen. Sie war ein echter Fan, einer von Millionen, sodass sie eine Weile brauchen würde, um sich damit abzufinden, dass der echte Derek sich sehr von dem Fernseh-Derek unterschied. Wahoo hatte bemerkt, wie enttäuscht sie gewesen war, als sie erfuhr, dass Derek in einem Luxushotel wohnen und nicht mitten im Sumpf campieren würde, wie die Sendung es vorspiegelte.
Sie zupfte Wahoo am Ärmel. »Da kommt jemand!«
»Sei still.«
Einer der Kameramänner war aufgestanden, um sich vorsichtig in die Büsche zu schlagen, unter denen Wahoo und Tuna sich versteckten. Nur wenige Schritte von ihnen entfernt machte er vor einem Lorbeerbaum halt und öffnete den Reißverschluss seiner Hose.
O nein , dachte Wahoo. Nicht hier .
Obwohl er im Dunkeln Tunas Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte, spürte er, dass sie alarmiert war. Er berührte sie am Arm, damit sie sich ruhig verhielt – wenn sie beim Herumschnüffeln erwischt wurden, würde Raven Mickey sofort feuern.
Tuna schob Wahoos Hand weg, um dann etwas völlig Unerwartetes zu machen: Sie packte einen der Kokospflaumenbüsche und schüttelte ihn.
Als der Kameramann, der sich gerade erleichtern wollte, das Rascheln hörte, erstarrte er. Doch Tuna setzte noch eins drauf: Sie gab einen dumpfen, grollenden Laut von sich, den ein ungeübtes Ohr leicht für das Brummen eines unzufriedenen Bären, das Murren eines schlecht gelaunten Rotluchses oder sogar für das Knurren eines Pantherweibchens, das gerade Junge hatte, halten konnte.
Mit einem Aufschrei fuhr der Kameramann herum und preschte in Richtung Lager davon.
»Da in den Büschen ist ein großes Tier!«, schrie er den anderen zu. »Ich hab’s ganz deutlich gehört!«
Die anderen brachen in Lachen aus, denn in seiner Panik hatte der Mann offenbar vergessen, seinen Hosenschlitz wieder zuzumachen.
»Igitt!«, flüsterte Tuna. »Der hätte uns fast auf den Kopf gepinkelt!«
Wahoo war extrem nervös. »Lass uns verschwinden.«
»Warte mal – er hat was fallen lassen.«
»Nun komm schon, Lucille ! Bevor noch einer von denen eine Pinkelpause machen muss.«
»Ich hab gesagt, warte mal.«
Sie huschte zum Lorbeerbaum und hob etwas vom Boden auf. Wahoo, der bereits auf dem Rückzug war, hörte Zweige hinter sich knacken, als sie ihm nachgeeilt kam. Erst als sie das Lager weit hinter sich gelassen hatten, schaltete er die Taschenlampe an, um nachzusehen, was der Kameramann verloren hatte.
»Was ist das?«, fragte Tuna, während sie die Seiten durchblätterte. »Eine Art Buch?«
Wahoo nahm es an sich und hielt das Titelblatt ins Licht der Taschenlampe. »Das ist ein Drehbuch«, erklärte er.
Auf der ersten Seite stand:
Expedition Überleben! Folge 103 – Everglades, Florida.
Tuna warf Wahoo einen fragenden Blick zu. »Das sollten wir wohl zurückgeben, was?«
»Klar«, sagte er. »Gleich morgen früh.«
Sie kicherte. »Aber erst wirst du es lesen, nicht wahr? Sag die Wahrheit, Lance.«
»Natürlich werde ich es lesen«, erwiderte er. Gab es denn
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