Echte Morde
Wohnzimmer auf mich, ich bin ans andere Telefon gerannt. Ich muss dir unbedingt noch etwas erzählen. Hast du nicht gesagt, Perry Allison wäre jetzt auch bei euch im Club? Bei dem musst du vorsichtig sein. Wir waren zusammen auf dem College und hatten im ersten Jahr ein paar Kurse zusammen.
Perry hatte dauernd diese Stimmungsschwankungen. Den einen Tag war er hyperaktiv, lief ständig hinter mir her und quatschte ununterbrochen, am nächsten dann konnte er total griesgrämig und schweigsam sein und hat mich bloß immer angestarrt. Irgendwann hat das College seine Mutter benachrichtigt."
„Die arme Sally", warf ich ein.
„Sie kam, hat ihn abgeholt und, glaube ich, in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nicht nur meinetwegen: Er hat ständig den Unterricht geschwänzt, und niemand mochte das Zimmer mit ihm teilen, weil er sich von Tag zu Tag seltsamer benahm."
„Ich glaube, jetzt geht es ihm wieder so! Das Muster scheint sich zu wiederholen. In der Bibliothek schafft er es gerade so, sich halbwegs zusammenzureißen, aber mir ist aufgefallen, dass Sally in letzter Zeit einen besorgten Eindruck macht."
„Sei bloß auf der Hut, wenn er in der Nähe ist. Soweit ich weiß, hat er noch nie jemandem etwas getan, aber damals auf dem College hat er eine Menge Leute ziemlich nervös gemacht, und wenn er jetzt auch in dieser Mordgeschichte mit drin hängt, dann pass einfach auf, ja?"
„Danke."
„Dafür nicht, tschüss!"
Weg war sie, um sich mit ihrem Franklin zu amüsieren.
KAPITEL SIEBEN
Der Sonntagmorgen brach an, sonnig und regnerisch. Ein Lufthauch strich über den Zaun und brachte meine Rosenbäumchen zum Rascheln. Kein Morgen, um auf der Terrasse zu frühstücken. Ich briet Speck und aß mein süßes Brötchen aus der Bäckerei, während ich dem lokalen Radiosender zuhörte. Es lief gerade eine Talkshow, bei der die Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters Fragen beantworteten. Die Wahl versprach spannend zu werden. Normalerweise kandidierten bei uns höchstens ein, zwei Leute aus der demokratischen Partei, die sich vorab höchstens einmal ein kleines Wortgeplänkel lieferten. Diesmal trat nicht nur ein Republikaner zur Wahl an, dem man durchaus eine Chance auf Erfolg einräumen musste, sondern auch ein Vertreter der kommunistischen Partei. Natürlich war das der Kandidat, dessen Wahlkampf von Benjamin Greer geleitet wurde. Da versprach sich nun also unser armer Benjamin neuerdings von der kommunistischen Partei und ihrer Politik die Erlösung. Natürlich handelte es sich bei diesem Kommunisten, Morrison Pettigrue, um einen der „neuen Leute" bei uns, die dem benachbarten Atlanta entflohen waren, ohne sich allzu weit von der Großstadt entfernen zu wollen.
Wenigstens musste man nicht mit einem Wahlkampf rechnen, der die Stadt spalten würde, trat doch kein schwarzer Kandidat an. Schwarz gegen Weiß hatte bisher immer für eine sehr angespannte Kampagne gesorgt, bei der sich die Stadt in zwei Lager teilte. Beide Kandidaten der großen Parteien waren gestandene Leute auf dem Höhepunkt ihrer jeweiligen politischen Karriere.
Sie beantworteten die eher banalen Fragen, die ihnen vorgelegt wurden, gelassen und nüchtern und genossen Pettigrues feurige Ausführungen, die teilweise schon ans Irrationale grenzten, sichtlich.
Der arme Mann, dachte ich bekümmert. Kommunist und noch dazu ganz ohne Charme. Unattraktiv war er auch noch: Ich hatte am Vortag auf dem Rückweg vom Supermarkt ganz bewusst nach Wahlplakaten mit seinem Konterfei Ausschau gehalten. Auf den Plakaten war die kommunistische Partei mit keinem Wort erwähnt. Sie zeigten lediglich einen grimmig dreinblickenden, dunkelhäutigen Mann, der in seiner Jugend offensichtlich schwer unter Akne gelitten hatte, und den Wahlspruch: „Wählt Morrison Pettigrue, den Mann des Volkes".
Beim Frühstück lauschte ich also der lebhaften Debatte unserer Bürgermeisterkandidaten, wechselte dann aber zu einem Sender mit Country & Western-Musik, als es ums Abwaschen ging. Hausarbeit ging mir leichter von der Hand, wenn ich dabei ein munteres Liedchen über die Freuden des Trinkens und den Schmerz unerwiderter Liebe trällern konnte.
Es war ein so schöner Morgen, dass ich beschloss, in die Kirche zu gehen. Ich ging häufig in die Kirche. Manchmal gefiel es mir dort sehr gut, und ich fühlte mich hinterher besser, aber einen echten spirituellen Drang hatte ich bisher nie zu spüren vermocht. Im Gegenteil: Ich ging in die Kirche, weil ich hoffte, irgendwann
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