Echte Vampire haben Kurven
pinkfarbenen Pulli fiel, den ich für Margie beiseitegelegt hatte, beschloss ich, Feierabend zu machen. Ich rief Valdez, sperrte ab und ging nach oben. Ein weiterer toter Vampir. Sollten wir nicht ewig leben?
VIERZEHN
Blade berief eine weitere Versammlung ein, in seinem neuen Domizil, einer Villa in einem der teuren älteren Viertel der Stadt. Ich hatte Ryan gebeten, eine Extraschicht einzulegen, damit Derek und ich hingehen konnten. Und natürlich Valdez, der mich keine Sekunde aus den Augen ließ, was mir nur recht war. Flo und Damian waren bereits da.
Damian und Blade hatten sich wohl tatsächlich auf einen Waffenstillstand geeinigt – laut Derek hatte Blade die Villa (Typ englisches Herrenhaus) von Damian angemietet, der in der ganzen Stadt Immobilien besaß. Die Interessen der Vampirgemeinde gingen eben vor.
Das große Wohnzimmer war spärlich möbliert, dafür knisterte im steinernen Kamin ein Feuer. Mara gefiel sich in der Rolle der Gastgeberin und trug einigen der männlichen Besucher auf, Stühle aus dem Esszimmer herbeizuschaffen. Diesmal waren beinahe dreißig Vampire zugegen. Ich war noch immer ganz erschüttert wegen der gestrigen Ereignisse. Valdez, mein vierbeiniger Bewacher, ließ sich neben der Tür nieder.
Kenny saß in einem Ohrensessel und nahm Beileidsbekundungen entgegen, was der Zusammenkunft etwas von einer Totenwache verlieh. Wenn jetzt noch jemand »Amazing Graze« anstimmte, wäre es um meine Fassung geschehen.
Außerdem plagten mich scheußliche Kopfschmerzen. Ich
hatte mir geschworen, meine Gedanken strengstens unter Verschluss zu halten, sobald ich mich mit Damian im selben Raum befand, und daran hielt ich mich eisern. Ich gesellte mich zu Derek und Freddy und wartete darauf, dass es losging. Es dauerte nicht lange.
»Leute.« Blade hob die Hand. Prompt kehrte eine unheimliche Stille ein. Nur das Knistern des Feuers war zu hören. »Eine neue Gefahr droht uns. Ein Mörder, der Vampire mit einem Holzkreuz pfählt. Hat einer von euch eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?«
Man vernahm halblaut gemurmelte Mutmaßungen. »Ich weiß, ihr glaubt, es war Ricardo«, meldete sich Flo zu Wort. »Aber so etwas würde er nicht tun.«
»Wer ist Ricardo?«, wollte ein mir unbekannter Vampir wissen. Er war klein und stämmig und sah aus, als wäre er im vorigen Leben Bodybuilder gewesen.
»Richard Mainwaring.« Blade sah zu mir. »Er scheint Vampire zu hassen, jedenfalls manche von ihnen. Ich wollte ihn zur Rede stellen, aber bislang war er nicht auffindbar.«
»Weshalb sollte Richard meine Margie töten? Wir kennen uns aus Paris, und …« Kenny warf einen Blick in die Runde. »Wir sollten nach sterblichen Vampirjägern Ausschau halten. Ich glaube nicht, dass wir den Mörder in den eigenen Reihen finden. Ein Vampir bringt doch nicht seine Artgenossen um.«
»Denkbar wäre es, Kenny. Wir können nicht Selbstmord begehen, aber sehr wohl einen Mord«, sagte Damian mitfühlend. »Das kann jeder, der in der Lage ist, einen Pfahl zu schwingen. Das Holzkreuz deutet darauf hin, dass der Mörder offenbar überzeugt ist, eine religiöse Mission erfüllen zu müssen. Berichten zufolge besucht Mainwaring die heilige Messe.«
»Das tue ich auch«, wandte ein männlicher Vampir ein.
»Ich ebenfalls«, stimmte ihm eine Frau zu, die ich nicht kannte. »Und ich habe keineswegs die Absicht, andere Vampire zu pfählen. Das ist doch Humbug.«
»Ricardo hat ein Problem mit seinem Vampirdasein. Er hält Vampire für böse Geister der Hölle.« Flo reckte trotzig das Kinn nach vorn, aber es zitterte. Ich ging zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern.
Überall im Raum erklang aufgebrachtes Gemurmel. Es ist unbestritten, dass es auch bösartige Vampire gibt, aber die hier versammelten Vertreter unserer Art wirkten allesamt zivilisiert und auf Anpassung bedacht. Sie verurteilten riskantes, rüpelhaftes Auftreten und würden eher einen Buchklub gründen als eine Schlägertruppe. Natürlich nehmen rüpelhafte Vampire gar nicht erst an solchen Versammlungen teil. Richard Mainwaring war jedenfalls nicht aufgetaucht.
»Leute.« Blade hob erneut die Hand. »Bis jetzt konnten wir Mainwaring nicht aufspüren, haltet also weiterhin die Augen offen. Er hat in etwa Damians Statur und ist leicht an den weißen Haaren zu erkennen. Aber seid vorsichtig und nähert euch ihm auf keinen Fall allein.«
»Ich glaube nach wie vor nicht …« Flo seufzte. »Wir sollten ihn nicht vorschnell verurteilen. Wir haben
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