Echte Vampire haben Kurven
mich befinden will.«
»Richtig. Und wenn dich jemand festhält, sei es nun ein Sterblicher oder ein Vampir, dann klappt es leider auch nicht. Das stört den Energiefluss. Aber dank deiner übermenschlichen Kräfte solltest du dich aus dem Griff des Betreffenden, sofern es sich um einen Sterblichen handelt, mit Leichtigkeit befreien können.«
»Das will ich hoffen.« Ich sog den leckeren Duft ein, der aus der Popcornschale herüberwehte. Ich weiß, ich wollte positiv denken, aber dieser Geruch … Das ist das Schlimmste am Vampirdasein, dass man nichts essen kann.
Flo sah mich an. »Du willst essen?«
»Na, klar.« Ich schnupperte erneut. »Kriegst du bei solchen Düften nicht auch Gelüste?«
»Es gibt Vampire, die essen können.« Sie bemalte den letzten
Nagel und wedelte dann mit der Hand, damit der Lack schneller trocknete. Sie ahnte nicht, dass ihre Worte Musik in meinen Ohren waren.
»Ist das dein Ernst?« Ich nahm ein Popcornbällchen, das auf dem Couchtisch gelandet war. »Glaubst du, ich könnte lernen, zu essen? Kannst du es denn?«
Das wäre ja der Himmel auf Erden: essen, was immer man will, und wenn man tags darauf erwacht, hat man kein Gramm zugenommen. Ein Traum!
»Ich hab’s einmal versucht, aber es war nichts für mich.« Flo verzog das Gesicht und begann die Fingernägel der anderen Hand zu bepinseln.
»Warum nicht?« Ich erhob mich und ging in die Küche, um eine Tüte Erdnussflips aus Valdez’ Vorratslager zu holen. Ich drückte sie an mich, wagte es aber nicht, sie zu öffnen. Wenn ich sie nämlich nur riechen, aber nicht kosten durfte …
»Bist du hungrig?« Jetzt war Flo mit Nägellackieren fertig und wedelte mit beiden Händen.
Ich lauschte in mich hinein. Hunger? Richtiger Hunger, bei dem einem der Magen wehtut? Nein. Hatte ich seit meiner Verwandlung in einen Vampir nicht mehr gehabt.
Blutgier, das ja. Aber das ist eine ganz andere Art von Hunger, den man – nicht lachen, bitte – in der Nase spürt. Wir riechen das Blut, das in den Adern eines Sterblichen pulsiert, hören, wie das Herz den Lebenssaft durch den Körper pumpt, und schon fangen unsere Fänge an zu wachsen, bereit, zuzubeißen, wenn die Sehnsucht zur Besessenheit wird. Und dann muss Blut her – entweder von einem Menschen oder aus der Dose.
»Es ist kein richtiger Hunger, sondern ehe eine mentale Angelegenheit. Ungefähr so, wie wenn man dir sagen würde, dass du nie wieder Stöckelschuhe tragen kannst und dazu
verdammt bist, den Rest deines Lebens in Tennissocken und Birkenstocksandalen herumzulaufen. Du könntest deine Ferragamo-Pantoffeln ansehen, berühren, sogar daran riechen, aber tragen könntest du sie nie wieder.«
Flo riss die Augen auf. »Eine derartige Höllenqual wäre nicht einmal meinem Geliebten Dante Alighieri eingefallen. Da kann man sich doch gleich pfählen lassen.«
»Genau. Verstehst du jetzt, dass ich gelegentlich deprimiert bin?«
»Gelegentlich?« Valdez rieb den Kopf an meiner Hüfte. »Bevor wir nach Austin kamen, hat dein Stimmungsbarometer ein Tief angezeigt, das war alarmierender als mein Blutzuckerspiegel, wenn ich eine Ladung Twinkies brauche.«
»Wie bitte? Woher kennst du das Wort Blutzuckerspiegel?« Ich sah von Valdez zu Flo.
Sie grinste. » Mea culpa. Wir haben gestern Nacht eine Gesundheitssendung geguckt, während du unter der Dusche warst. Ich hatte nur gehört, dass es um Blutzucker geht …« Sie zuckte die Achseln.
»Dass Menschenblut süß schmeckt, ist mir neu«, sagte ich. »Aber ich hätte nichts gegen einen kleinen Schluck zwischendurch.«
Valdez stupste mich mit der Nase an. »Machst du die Tüte jetzt auf oder was? Wo wir schon von meinem sinkenden Blutzuckerspiegel reden.«
»Du wirst es überleben. Einen Moment noch.« Ich ließ mich neben Flo nieder. »Valdez hat Recht – mein tristes Liebesleben und die Tatsache, dass ich nicht essen kann, deprimieren mich schon seit Jahrhunderten.«
»Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Die Sache mit dem Liebesleben dürfte allerdings schwierig werden.« Flo nahm den durchsichtigen Überlack zur Hand und begann
von neuem die Nägel zu bepinseln. »Lass die Finger von Damian, der tut dir nicht gut. Und von Jeremiah ebenfalls, der treibt dich in den Wahnsinn. Gab es bei dem Meeting neulich sonst noch jemanden, bei dem du Herzklopfen bekommen hast?«
Herzklopfen? Ich hatte den ganzen Abend unter solchen Kopfschmerzen gelitten, als hätte man mir mit einer Schaufel eins übergezogen. Das war der Preis dafür,
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