Echtzeit
Er hat sofort und an alle anderen Ladys die Parole ausgegeben, dass es ab sofort sinnlos ist, ihm zu schreiben, weil er die einzig »wahre Braut« gefunden hat.
Das fand ich schon mal sehr mutig! Männlich. Entschlossen. Das hatte Charakter. Der Mann hat kein Hintertürchen offen gelassen. Und das nach nur einem – zugegeben – recht netten Sätzchen von mir.
Er hat geschrieben, dass er mich auf der zweiten Brücke nach der Autobahnauffahrt treffen wird. Um Mitternacht. Bei Vollmond. Im August! Wow, habe ich mir gedacht, das sind aber weit vorausschauende Phantasien … wir hatten nämlich gerade erst Anfang Mai. Aber gut – dachte ich mir, vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen. Vielleicht hat er keinen Druck und macht deswegen auch keinen Druck.
»Eigentlich sympathisch«, habe ich mir gedacht und geschrieben: »Schön, dass du so gar keinen Druck machst, das mag ich … nur so zur Sicherheit … warum sollen wir so lange warten?«
Das war raffiniert von mir. Es hat ihm auf diese Weise zwei Dinge signalisiert. Erstens! Ich habe ihn gelobt! Das ist eigentlich das Allerwichtigste. Und zweitens – ich habe signalisiert, dass ich nichts dagegen hätte, wenn wir einander schon ein wenig früher begegnen könnten. Beides waren Botschaften, die ihn sehr zufrieden machen mussten.
Dementsprechend war auch seine Antwort: »Du bist eine echte Lady«, hat er geschrieben und mir in der Folge erklärt, dass wir uns ruhig die Zeit nehmen können, damit ich mir das richtige Kleid kaufen kann. Und falls es das richtige Kleid in keinem Geschäft geben sollte, das richtige Kleid schneidern lassen könnte!
Jetzt war ich echt neugierig, das hatte er gut gemacht. Ein Netzprofi, habe ich mir gedacht. Das macht der nicht zum ersten Mal. Dazu weiß er viel zu genau, wie man seine Botschaften formuliert, um Neugierde zu erzeugen. Also gut – habe ich mir gedacht. Was nun?
Und er hat’s mir erklärt…: »Du wirst mir zur Verfügung stehen! Ist das klar!? Und jetzt pass gut auf. Du wirst dich beim Vollmond im August um 23 Uhr auf die Autobahnbrücke stellen. Mit deinem Kleid auf deinem Körper, ohne jede Art von Unterwäsche, verstanden! Dann wird ein roter Lexus an dir vorbeirasen und der Fahrtwind wird dein Kleid auseinanderreißen. Er wird dein Kleid auseinanderreißen, weil du nämlich alle 23 Knöpfe aufgemacht haben wirst. Du wirst da stehen und mich dadurch aufgeilen, dass du nackt und wehrlos von meinem Fahrtwind gefickt werden wirst. Ich werde bei der Abfahrt nach der Brücke wenden und nach zehn Minuten bin ich wieder da … und wieder und wieder … und ich werde so lange an dir vorbeifetzen und dich fast berühren mit meinem Kotflügel, bis es dir gekommen ist! Verstanden!!«
Aha … habe ich mir gedacht … ein Liebhaber der Fernsteuerung … einer von denen, die es nicht ertragen, ihr Opfer als körperliche Realität zu erleben … sondern die extremste Lust in extremster Fernsteuerung erleben. Interessant, auf was für Ideen die Leute so kommen. Findest du nicht?! Aber von der Dramaturgie her nicht unspannend.
Na gut, ich habe mich gefragt, wie ich ihm darauf antworten soll, weil ja eigentlich alles gesagt ist. Dann hatte ich den göttlichen Funken. Ich habe geschrieben: »Ja, Meister. Ich werde da sein … und ich werde alles genau so vollziehen, wie du es dir ersehnst. Ich habe nur eine kleine Frage: Hast du darüber nachgedacht, dass du selbst mich gar nicht sehen wirst?! Wenn dein Fahrtwind meine heiße Muschi prügeln wird, bist du ja schon längst an mir vorbeigerauscht. Was hast du denn dann davon, wenn deine Brückensklavin, ausgeliefert in der Hitze der Nacht, da steht und du schon zwei Kilometer weiter gedonnert bist?«
Die Antwort kam prompt: »Du kluge, kleine Hure!«
Du merkst, Isabell, unser Umgangston war sehr schnell sehr vertraut geworden …
»Du kluge, kleine Hure! Es ist gut zu erleben, wie du mitdenkst. Das hat noch keine vor dir getan! Ich werde zwar in dem roten Lexus sitzen aber genau hinter mir folgt ein blauer BMW und darin befindet sich eine Person mit einer Videokamera, die dich genau in dem Moment filmen wird, in dem es dein gelbes Sommerkleid auseinanderfetzen wird. Der Abstand zu meinem Lexus ist genau berechnet … es kann also nichts passieren! Ich freue mich schon auf den Vollmond!«
Das war ein etwas plumper Abschluss … findest du nicht? »Ich freue mich schon auf den Vollmond!« So habe ich Postkarten aus den Sommerferien geschrieben … als Zwölfjährige! Aber gut,
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